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Drei Fragen an... Myrjam Dobesch, Projektleiterin „IQ-LEH“

Mit dem Projekt „IQ-LEH“ erprobt die food akademie Neuwied moderne Ausbildungskonzepte in einem mit digitalen Technologien ausgestatteten Lehrsupermarkt. Können Auszubildende so zu Technologietreiber/-innen im Lebensmitteleinzelhandel werden? Darauf antwortet Myrjam Dobesch im Interview.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Kassenfreie Checkout-Systeme oder Smart Payment: Viele moderne Technologien sind schon bekannt, werden in den Supermärkten bisher aber selten genutzt. Warum schreitet der digitale Wandel im Lebensmitteleinzelhandel nur schleppend voran?

Myrjam Dobesch: Es gibt bereits Technologien, die sich vermehrt im Lebensmitteleinzelhandel durchsetzen, z.B. Self-Checkout-Systeme oder digitale Etiketten. Künstliche Intelligenz unterstützt in vielen Bereichen, wie bei der marktgenauen Planogrammierung (Anm. d. Red.: visuelle Darstellung einer Artikelplatzierung). Anderes ist noch in der Pilotierungsphase. So wird der intelligente Einkaufswagen bisher vereinzelt erprobt.

Der zögerliche Wandel kann unterschiedlich gedeutet werden. Eine Ursache findet sich wohl im Kostenfaktor, der nicht unerheblich ist. Viele Händlerinnen und Händler sind daher vorsichtig und warten die Entwicklung der Technik erst einmal ab. Diese kann schnell gehen und manche Dinge überholen sich selbst. Die Investitionen müssen also gut überlegt sein.

Die Technologie allein ist noch wertlos. Das Personal muss befähigt werden, sie sinnvoll einzusetzen und den Kundinnen und Kunden bei Bedarf helfend zur Seite zu stehen.

Myrjam Dobesch

Ein Aspekt ist auch der anfänglich höhere Personaleinsatz und Aufwand für die Händlerinnen und Händler. Sie müssen ihr Personal „abholen“ und im Umgang mit den neuen Technologien schulen. Für die Kundschaft können neue Technologien ebenfalls eine Umstellung mit sich bringen. Es muss also auch in Zeit investiert werden. Die Technologie allein ist noch wertlos. Das Personal muss befähigt werden, sie sinnvoll einzusetzen und den Kundinnen und Kunden bei Bedarf helfend zur Seite zu stehen. Beispielsweise bei einem intelligenten Einkaufswagen. Wenn niemand die Kundinnen oder den Kunden abholt, nutzen sie ihn womöglich wie bisher gewohnt.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit Ihrem Projekt „IQ-LEH“ möchten Sie digitale Technologien bzw. die hier geforderten Kompetenzen für den Lebensmitteleinzelhandel in die überbetriebliche Ausbildung integrieren. Wie genau soll das erfolgen?

Myrjam Dobesch: Zunächst wurde eine breit angelegte Recherche durchgeführt. Wir haben geschaut, was an Technologien bereits da ist bzw. angedacht wurde und wie der Entwicklungsstand ist. Das reicht von der Idee über Pilotierung und Prototyp bis hin zur Marktreife. Davon haben wir 29 Technologien ausgewählt, zu denen wir aktuell Befragungen mit Ausbildenden und Auszubildenden durchführen.

Wir möchten herausfinden, welche der Technologien bereits in den Märkten vorhanden oder in Planung sind, wie die Ausbildenden deren Relevanz für die Ausbildung einschätzen und wie der Wissensstand der Auszubildenden zu technologischen Anwendungen ist. Ergänzend werden qualitative Interviews mit Expertinnen und Experten aus den Zentralen des Lebensmitteleinzelhandels durchgeführt.

Auf Grundlage der Ergebnisse wird der Technologiebedarf dem Curriculum der food akademie Neuwied (faN) zugeordnet. Es erfolgt ein Abgleich zwischen resultierendem Lehrbedarf und den Inhalten des Lehrplans sowie die Priorisierung für die Technologiebeschaffung in unserem Lehrsupermarkt (ÜBS). Nun gilt es, Kompetenzanforderungen zu bestimmen, die mit den neuen Technologien für die Bestandteile des Lehrplans notwendig werden. Das ist die Basis, um das Curriculum der ÜBA neu zu gestalten.

Ziel ist ein kompetenzorientiertes Gesamtkonzept, das auch digitale Lernstrukturen nutzt. Dies wird in Form von Übungseinheiten umgesetzt. Eine davon greifen wir uns raus, setzen diese medial um und führen eine Erprobung mit den Auszubildenden durch. Es gilt, herauszufinden, ob das Konzept für die künftigen Kaufleute greift. Bei erfolgreicher Erprobung werden auch die anderen Übungseinheiten medial umgesetzt.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Manchmal kommen Auszubildende erstmals in der überbetrieblichen Ausbildung mit digitalen Technologien für den Lebensmitteleinzelhandel in Kontakt. Wie können Sie mit Ihrem Projekt dazu beitragen, dass Auszubildende digitales Know-how in die Betriebe bringen und den Technologietransfer unterstützen?

Myrjam Dobesch: Genau darauf zielt das Projekt ab. Der Technologietransfer hat dabei diverse Aspekte. Zum einen können Auszubildende, die in der ÜBA mit digitalen Technologien in Kontakt kommen, Betriebe für die Digitalisierung öffnen. Allein dadurch, dass sie erzählen, wie sie im Lehrsupermarkt mit Augmented Reality oder einem intelligenten Regal gearbeitet haben und welche Vorteile das mit sich bringt. Sie bringen dann gleich die entsprechenden Kompetenzen mit und können ihr Wissen auch an diejenigen weitergeben, die es in ihrer Ausbildung nicht gelernt haben.

Zum anderen nehmen die Auszubildende das Wissen um die neuen Technologien auf ihre weitere Laufbahn mit. Viele ergänzen ihre Ausbildung mit einer Qualifizierung zum/zur Betriebswirt/-in oder zum/zur Handelsfachwirt/-in, streben in Führungspositionen sowie in die Selbstständigkeit.

Mit einer modernen ÜBA können wir also den Technologientransfer unterstützen und den digitalen Wandel im Lebensmitteleinzelhandel vorantreiben.

Myrjam Dobesch

Durch die ÜBA kennen sie nun die Vorteile digitaler Technologien für die Kundschaft, für die Mitarbeitenden und für sich selbst. Dazu gehören zum Beispiel Arbeitsentlastung und Umsatzsteigerung durch verbesserten Kundenservice. Sie haben also eine gute Grundlage, um über Investitionen zu entscheiden und tätigen Anschaffungen, da sie wissen, was sie im Ladenalltag wert sind.

Mit einer modernen ÜBA können wir also den Technologientransfer unterstützen und den digitalen Wandel im Lebensmitteleinzelhandel vorantreiben.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Vielen Dank für das Gespräch.