Drei Fragen an... Lukas Walter, Mitarbeiter im Projekt „ARihA“
Augmented Reality (AR) gewinnbringend im Handwerk einsetzen – darauf zielt das Bildungszentrum Schweinfurt der Handwerkskammer für Unterfranken mit dem Projekt „ARihA“ ab. Welche Vorteile und Chancen sich daraus für die Ausbildung im Handwerk ergeben, erklärt Lukas Walter im Interview.
Sonderprogramm ÜSB-Digitalisierung: Virtual und Augmented Reality-Technologien halten zunehmend Einzug in den Bildungsbereich. In Ihrem Projekt „ARihA“ setzen Sie vor allem AR-Anwendungen in der handwerklichen Ausbildung ein. Welche Vorteile erwarten Sie für die Ausbildung und das Handwerk?
Lukas Walter: Mittels AR-Technik lassen sich Gegenstände oder Informationen als virtuelle Abbilder in den Raum, in dem sich die Auszubildenden befinden, projizieren. Durch die AR-Brille sehen sie z.B. eine virtuelle Treppe, an der sie einen Handlauf mit einer Bohrmaschine anbringen sollen. In der Brille werden auch Informationen zum Arbeitsablauf angezeigt – z.B. an welcher Position des Handlaufes die Bohrmaschine angesetzt werden soll. Die AR-Technologie versetzt die Auszubildenden in eine immersive Welt. Die normale wahrgenommene Realität wird durch eine zusätzliche, virtuelle Realitätsebene ergänzt, die sie beim Erlernen und Ausüben handwerklicher Tätigkeiten unterstützen soll. Aktuelle Studien lassen erkennen, dass Lernende durch diese Vorgehensweise ihre Arbeit schneller bewältigen und Fehler vermeiden können. Wir versprechen uns daher durch den Einsatz dieser neuen Technologie in erster Linie eine Steigerung des Lernerfolgs.
Der Einsatz digitaler Technologien modernisiert die handwerkliche Ausbildung, macht sie für junge Menschen attraktiver und das Handwerk fit für die Zukunft.
In der betrieblichen Praxis erwarten wir ebenfalls einen Zugewinn: So können die Auszubildenden zum Beispiel mit Hilfe der AR-Technologie vor Ort Maschinen warten oder Anlagen montieren. Die notwendigen Informationen erhalten sie über das AR-fähige Endgerät lagegenau eingeblendet. Per Remote-Funktion können sie außerdem ihre Meisterin bzw. ihren Meister über Videotelefonie hinzuschalten, wenn sie Hilfe benötigen oder Fragen stellen möchten. Durch die frühe Auseinandersetzung mit den neuen Technologien in der Ausbildung können darüber hinaus Hemmnisse und Berührungsängste abgebaut und die Einarbeitungszeit zukünftiger Fachkräfte kann reduziert werden. Die Auszubildenden lernen anhand betriebsüblicher Aufträge den Umgang mit digitalen Technologien in der ÜBA und können diese ggf. später im eigenen Unternehmen gewinnbringend einsetzen. Der Einsatz digitaler Technologien in der überbetrieblichen Ausbildung kann hier einen nachhaltigen Beitrag zur digitalen Transformation des Handwerks leisten.
Nicht zuletzt gibt es noch ein paar weitere positive Nebeneffekte: So kann die Arbeitssicherheit erhöht werden, indem Sicherheitsinformationen direkt über die AR-Brille während der Ausführung von Arbeitsprozessen eingeblendet oder abgefragt werden. Zu erwarten sind außerdem Einsparpotenziale, z.B. bei Materialeinsatz und Zeit, sowie durch die Möglichkeit der automatischen Dokumentation und Auswertung des Lern- bzw. Arbeitsergebnis durch die AR-Software. Der Einsatz digitaler Technologien modernisiert die handwerkliche Ausbildung, macht sie für junge Menschen attraktiver und das Handwerk fit für die Zukunft.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit dem digitalen Wandel verändert sich auch das Lehren und Lernen in der überbetrieblichen Ausbildung. Welchen Herausforderungen stehen Ausbildende gegenüber und wie unterstützt Ihr Projekt sie dabei?
Lukas Walter: Wir werden die Schulungsinhalte erst einmal nicht verändern, sondern nur mit Hilfe der neuen Technologien vermitteln. So möchten wir den Ausbildenden die Angst nehmen, dass sie ihre Kurse neu aufbauen müssen. Ansonsten reicht es zu Beginn aus, wenn sie ein Smartphone bedienen können. Denn zur Nutzung der AR-Technologie versuchen wir eine Anwendung entwickeln zu lassen, die intuitiv bedienbar, modular aufgebaut und individuell einsetzbar sein soll – von der Kfz-Mechatronik bis zum Metallbau. Unser Ziel ist es, dass sich die Ausbildenden erst einmal mit dem System auseinandersetzen und dadurch ihre Bereitschaft wächst, die AR-Technologie im Unterricht einzusetzen.
Eine Herausforderung besteht im neuen Rollenverständnis der Ausbildenden: Die Ausbildenden sollen die Jugendlichen fortan als Coach oder Trainer/-in begleiten. Sie sollen die Heranwachsenden motivieren und dabei unterstützen, möglichst selbständig an Aufgabenstellungen heranzugehen. Übungsaufgaben sollen dabei noch handlungsorientierter aufgebaut werden, sodass diese dann individuell, nach eigenem Tempo und Wissensstand gelöst werden können.
Unser Ziel ist es, dass sich die Ausbildenden erst einmal mit dem System auseinandersetzen und dadurch ihre Bereitschaft wächst, die AR-Technologie im Unterricht einzusetzen.
Das Projekt „ARihA“ unterstützt diese neue Herangehensweise, indem es den Ausbildenden Programmiermodule an die Hand gibt, mit deren Hilfe Ausbildende z.B. Warnhinweise in die praktische Übungsaufgabe einpflegen können: Bestimmt ein/-e Auszubildende/-r beispielsweise bei einer solchen Übungssituation zunächst eine falsche Bohrposition zur Geländerbefestigung, erhält sie bzw. er über die AR-Brille eine Rückmeldung in Form eines visuellen Warnhinweises, der auf die falsche Bohrposition hinweist. Der bzw. die Auszubildende kann darauf reagieren, die Position korrigieren und so Arbeitsmaterial einsparen.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit „ARihA“ entwickeln und erproben Sie neue Ausbildungskurse für die Berufe Metallbauer/-in und Elektroniker/-in. Die Kurse sollen danach auch für andere handwerkliche Ausbildungsberufe nutzbar sein. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Kurse übertragbar sind?
Lukas Walter: Wir erproben das neu entwickelte Konzept erst einmal für die Berufe Metallbauer/-in und Elektroniker/-in. Daran orientiert identifizieren wir Gemeinsamkeiten in den Lerninhalten anderer Ausbildungsberufe im Handwerk und versuchen diese in einem Vorgehensmodell abzubilden. Außerdem zeigen wir, wie man Übungsszenarien anlegen kann und geben Impulse, wie sich diese übertragen lassen. Das entsprechende methodisch-didaktische Konzept stellen wir dazu allen ÜBS zur Verfügung.
Das Wichtigste wird sein, die Vorteile zu ermitteln und den Mehrwert für die Ausbildung aufzuzeigen. Hierfür planen wir das Angebot eines Train-the-Trainer-Konzeptes um die Einarbeitung von Ausbildenden aus anderen ÜBA-Kursen sowie aus anderen ÜBS zu erleichtern und damit die Hemmschwelle für einen Einsatz in den überbetrieblichen Ausbildungskursen zu reduzieren. Denn nur wenn die Ausbildenden vom Einsatz der AR-Technologie überzeugt sind und diese sicher anwenden können, wird eine Bereitschaft geschaffen sein, diese Technologie auch in der eigenen ÜBA einzusetzen.