Drei Fragen an... Helmut Konrad, Projektleiter, und Bernd Kammerer, Medienpädagoge, im Projekt „DiTRiGesund“
In landwirtschaftlichen Betrieben werden immer häufiger digitale Technologien eingesetzt, um das Tierwohl und die Gesundheit der Tiere zu verbessern. Das Bildungs- und Versuchszentrum Rinderhaltung, Staatsgut Almesbach, hat sich zum Ziel gesetzt, die überbetriebliche Ausbildung dahingehend zu modernisieren.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Die Digitalisierung hat Einzug in die landwirtschaftliche Rinderhaltung gehalten. Welche Möglichkeiten und Vorteile eröffnen sich durch die Digitalisierung für die überbetriebliche Ausbildung im Bereich Nutztierhaltung?
Helmut Konrad: Möglicherweise kommen die Auszubildenden erstmals mit digitaler Technik in Kontakt. Durch neue Technologien wie Melkroboter, Drohne und Augmented Reality wird die Ausbildung attraktiver für junge Leute.
Hier findet Pionierarbeit direkt am Puls der Zeit statt.
Helmut Konrad: Hier findet „Pionierarbeit“ direkt am Puls der Zeit statt: Die Auszubildenden haben die Möglichkeit, neue Dinge zu sehen und mit ihnen zu arbeiten, bevor sie überall verfügbar sind. Ein positiver Nebeneffekt ist es, dass funktionierende Technologie sich schneller verbreiten kann und die Technologie, die nicht funktioniert, „ausgesiebt“ wird. Unser Projekt leistet durch seine Vorbildfunktion einen Beitrag zur Digitalisierung der überbetrieblichen Ausbildung. Die Auszubildenden erleben und erfahren die Automatisierung von Routinearbeiten und damit Arbeitserleichterung bzw. Wegfall von Arbeiten.
Mit Sicherheit überlegen einige landwirtschaftliche Betriebe in Digitalisierung zu investieren. Ein durch Digitalisierung und den Einsatz von Sensorik und Software verbessertes Tierwohl und bessere Tiergesundheit reduzieren die Tierarztkosten deutlich. Dadurch wächst die Bereitschaft zu investieren. Allerdings sind die Investitionen sehr hoch und sie müssen auf Jahre verteilt werden.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Das Projekt „DiTRiGesund“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Auszubildenden adäquat und zukunftsorientiert auf ihre beruflichen Aufgaben vorzubereiten. Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie dadurch für die Auszubildenden in den landwirtschaftlichen ÜBS?
Helmut Konrad: Die Vielfalt der Aufgaben, mit denen sich die jungen Leute beschäftigen müssen, sind eine Herausforderung. Die Arbeit erfordert eine gewisse Technikaffinität – die jungen Leute müssen sich mit Software, Sensorik und Robotik auskennen. Aber vorrangig haben wir mit Tieren zu tun, die alle ihre eigenen Charaktere haben. Die Vorgänge in der Milchproduktion und in der Mast sind komplex. Das müssen die jungen Leute wissen und in der Praxis umsetzen können.
Die Digitalisierung ist nichts anderes als ein metaphorischer Traktor.
Bernd Kammerer: Die Vielfalt der neuen Themen ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Aber man kann es auch als Chance betrachten. Früher gab es den Pferdepflug, dann kam irgendwann der Traktor – also mussten die Landwirt/-innen lernen Traktor zu fahren. Die Digitalisierung ist nichts anderes als ein metaphorischer Traktor. Wir machen aus den Auszubildenden von heute die Landwirtinnen und Landwirte von morgen und bringen ihnen bei, wie man diesen metaphorischen Traktor fährt.
Die Entwicklung der Technologien zeigt ein exponentielles Wachstum. Und unsere Aufgabe ist es, die Auszubildenden darauf vorzubereiten. Den besten Ausblick auf Erfolg haben dabei die Technologien, die für ihren Betrieb, für ihre Tiere und für die Landwirtschaft im Allgemeinen das Beste rausholen.
Gerade in der Landwirtschaft stoßen viele Themengebiete zusammen, die eine schnelle technologische Entwicklung begünstigen, wie das Fahren von Traktoren und die Nutzung von Sensorik, Robotertechniken und Drohnen. Genau das macht auch den Reiz der Digitalisierung für die Auszubildenden aus: Dass sie sehr viele interessante neue Dinge kennenlernen und somit ein bisschen der Zeit voraus sind. Es ist nicht so als sei die Landwirtschaft von Gestern. Es ist eigentlich exakt das Gegenteil – die Landwirtschaft ist so aktuell wie noch nie.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Digitale Komponenten in der Rinderhaltung sollen methodisch-didaktisch in Ihre ÜBA-Kurse integriert werden. Welche digitalen Lernmittel werden im Projekt entwickelt?
Bernd Kammerer: Wir arbeiten an Lernvideos. Wir haben uns vier verschiedene Videotypen überlegt, wie zum Beispiel Microclips für Einzelübungen. Das sind 30-sekündige Videos, die in eine Präsentations-Folie eingebunden werden können und im Theorieunterricht als Ergänzung einen Aha-Effekt erzeugen. Da geht es dann beispielsweise darum, wie der Roboter das Euter abtastet. Oder um einen Gülleschieber. Die Theorie lehrt nur: Das ist ein Melkroboter, damit wird gemolken. Mit unseren Videos erklären wir aber auch, wie der Melkroboter die Sensorik einsetzt oder wie er mit dem Melkzeug das Euter abtastet. Ähnlich ist es auch mit Apps, die die Gesundheit der Tiere überwachen. Beispielsweise arbeiten wir gerade an einer App für die Futterrationsberechnung.
Helmut Konrad: Die Videos sind vor allem dafür geeignet, fehlende Praxiselemente auszugleichen. Sie sind Smartphone-fähig und stellen damit eine wesentliche Methode dar, den jungen Leuten das Thema beizubringen. Darüber hinaus sollen die Lehrvideos den Auszubildenden aber auch über eine Lernplattform zur Verfügung gestellt werden, die daneben auch die Apps, Präsentationen und digitalen Arbeitsblätter enthält. Auf die Lernplattform haben die jungen Leute jederzeit Zugriff, um bei Bedarf Aufgaben nachzuarbeiten. Die Auszubildenden haben die Möglichkeit, diese im Ausbildungsbetrieb den Ausbildenden oder zu Hause den Eltern zu zeigen und sich mit den Themen vertieft zu befassen. Wir halten die Lernplattform für ein zentrales Element. Die pädagogischen Fachkräfte sagen, Wiederholung ist die Mutter des Lernens.