Untersuchung der Umsetzung der Studienprogramme im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung nach Pflegeberufegesetz (PRIME)
Das Projekt PRIME (Laufzeit: 1. Januar 2022 bis 30. Dezember 2024) geht der Frage nach, wie Hochschulen die gesetzlichen Vorgaben des Pflegeberufegesetzes (PflBG) strukturell und curricular umsetzen. Neben einer Curriculumanalyse werden die Sichtweisen der Praxis, der Studierenden und der Hochschule in der Umsetzung des PflBG mit empirischen Methoden erschlossen.
Laufzeit | 01/2021-11/2024 |
Kurzbeschreibung | Das Forschungsprojekt fokussiert die Einführung der hochschulischen Erstausbildung in Form von primärqualifizierenden Studiengängen nach PflBG. Die Umsetzung wird im Vorhaben mithilfe einer Dokumentenanalyse sowie leitfadengestützter Fokusgruppen und Einzelinterviews untersucht; erste Erfahrungen der Hochschulen werden analysiert. |
Auftragnehmer | Katholische Stiftungshochschule München Universität Bremen Campus GmbH uzbonn GmbH |
Ansprechpersonen |
Pflegeforschung, AB 2.6 BIBB Prof. Dr. Bernd Reuschenbach, KSH München Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck Jan Kröll |
Hintergrund
Mit dem PflBG sind seit dem Jahr 2020 neue primärqualifizierende Studienangebote entstanden. Obwohl die Studiengänge sich alle auf dieselben gesetzlichen Grundlagen beziehen, zeigt sich eine Varianz in der konkreten curricularen Ausgestaltung durch die Hochschulen, die Auswirkungen auf die Studierenden, die Praxiseinrichtungen und die Hochschulen haben.
Ziele
In drei Teilprojekten wird die bisherige Umsetzung des PflBG bezogen auf das primärqualifizierende Studium evaluiert. Im ersten Arbeitspaket, das die Uni Bremen Campus GmbH (UBC) verantwortet, werden die formale Konzeption der Studiengänge und die Gestaltung des lernortverknüpfenden Lernens untersucht. Methodisch werden Dokumentenanalysen curricularer Unterlagen, wie Prüfungsordnungen, Modulhandbücher und Lern- und Arbeitsaufgaben, durchgeführt. Im Arbeitspaket 2 werden mit Einzel- und Fokusgruppeninterviews die Perspektiven der Studiengangsverantwortlichen, der Lehrenden, der Studierenden und der Ausbildungsverantwortlichen in den Betrieben untersucht. Leitfragen sind dabei: Werden die Ausbildungsziele aus der Perspektive der Stakeholder erreicht? Welche Faktoren fördern oder hemmen die Erreichung der Bildungsziele und die (praktische) Umsetzung der Studienangebote? Welche Förder- und Hemmfaktoren sind in der hochschulischen Pflegebildung vorhanden.
Beitrag für die Pflege
Der regelhaften Einführung der primärqualifizierenden Pflegestudiengänge gingen intensive Evaluationen in allen Bundesländern voraus. Die Pflegebildung auf hochschulischem Niveau ermöglicht es, den veränderten Anforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden, gleichzeitig erschließen sich mit den hochschulischen Qualifikationen neue Karrierechancen in der direkten Versorgung von zu pflegenden Menschen. Erste Nachsteuerungsbedarfe wurden bereits im Pflegestudiumstärkungsgesetz aufgegriffen. Entsprechende Neuregelungen sind im Projektzeitraum von den Hochschulen umzusetzen. Es gilt nun, die Gelingensfaktoren der Implementierung zu identifizieren und mögliche weitere Nachsteuerungsbedarfe zu ermitteln.
Arbeitspaket 1: Curriculumanalyse (UBC Bremen)
Im ersten Schritt wurde eine kriteriengeleiteten Inhaltsanalyse der Curricula bzw. der Modulhandbücher primärqualifizierender Studiengänge hinsichtlich formaler Merkmale der Studienganggestaltung durchgeführt.
Folgende Parameter wurden anhand eines Analyserasters erfasst:
- Dauer und Workload der Studiengänge,
- Umfang der an der Hochschule stattfindenden Studienanteile und Verhältnis von Präsenz- zu Selbstlernen,
- Rhythmisierung der Praxisphasen,
- Umfang der praktischen Studienanteile und Zusammensetzung des Workloads.
Im Anschluss wurden die Daten von 26 Studiengängen gemeinsam mit den Studiengangverantwortlichen validiert.
Im zweiten Schritt wird anhand einer Analyse von Lern- und Arbeitsaufgaben (LAA) untersucht, wie die praktische Ausbildung in den Pflegebetrieben mit dem Lernen am Lernort Hochschule verknüpft wird. Unter LAA werden Lernmaterialien verstanden, die die Studierenden anregen, die im betrieblichen Kontext gemachten Erfahrungen zu reflektieren, zu erweitern, zu vertiefen und zu transferieren. Untersucht werden beispielsweise, welche Kompetenzbereiche der Anlage 5 der Pflegeberufe Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung (PflAPrV) in den Aufgaben adressiert werden, wie das Anforderungsniveau sukuzessive gesteigert wird und wie reflexive Kompetenz sowie Kompetenzen zur wissenschaftsbasierten oder -orientierten Entscheidungsfindung gefördert werden.
Arbeitspaket 2: Fokusgruppen- und Einzelinterviews (KSH München, uzbonn)
Zentrales Anliegen dieses Arbeitspakets ist es, die Umsetzung und Auswirkung des Pflegestudiums im Hinblick auf organisatorische, inhaltliche und strukturelle Aspekte in der Sichtweise der Stakeholder zu analysieren.
Hierzu werden etwa 20 Fokusgruppeniskussionen (verantwortet durch die KSH München) und 20 Einzelinterviews (verantwortet durch uzbonn) mit folgenden Gruppen/Personen umgesetzt:
- Studiengangsverantwortliche
- Lehrende
- Studierende
- Praxisanleitende
- Entscheidungsträger/innen in Betrieben
- Ausbildungsverantwortliche in Betrieben
- Vertreter/innen der Bundesländer
Im Mittelpunkt der Erhebung stehen folgende vier Themenfelder.
1. Hochschulische Umsetzung |
- Unterstützungsbedarfe bei der Etablierung der primärqualifizierenden Studiengänge - Didaktisch-methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen - Zielsetzung und Anspruch der Studiengänge |
2. Anbindung an Ausbildungsbetriebe |
- Umsetzung der Kooperationen mit den Einrichtungen der praktischen Anteile - Potenziale und Herausforderungen in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen - Betreuung der Studierenden in theoretischen und praktischen Lernphasen - Parallelen zu den Rahmenausbildungsplänen |
3. Wahrnehmung des neuen primärqualifizierenden Studiengangs |
- Wahrnehmung der Veränderungen im neuen Studiengang - Feedback der Studierenden zur Einführung der primärqualifizierenden Studiengänge |
4. Ergänzende Aspekte |
- Zulassung ausländischer Studierender - Auslandsaufenthalte der Studierenden - Finanzierung des Studiums |
Arbeitspaket 3: Analyse von Evaluations- und Qualitätsberichten (KSH München)
Ergänzend zur Curriculumanalyse werden in diesem dritten Arbeitspaket die verfügbaren Ergebnisse aus vergleichbaren Forschungsprojekten zu primärqualifizierenden Studiengängen gesichtet und mit den Ergebnissen der anderen Arbeitspakete in Beziehung gesetzt.
Für die Analyse werden die Befunde, die im Rahmen anderer BIBB-Projekte zur Thematik erarbeitet wurden, ebenso berücksichtigt wie weitere bundesweite Evaluationsstudien.
Weiterhin sollen auch die Befragung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), Akkreditierungsberichte der Akkreditierungsagenturen sowie veröffentlichte Evaluationen von Hochschulen und Bundesländern herangezogen werden. Es ist zu prüfen, welche Daten routinemäßig schon auf Grundlage von § 55 PflBG erhoben wurden und zur Sekundäranalyse genutzt werden können.
Aktueller Stand
Arbeitspaket 1: Curriculumanalyse (UBC Bremen)
Durch die Untersuchung der Modulhandbücher von insgesamt 26 Studiengängen konnte festgestellt werden, dass sich die Studienprogramme erheblich in ihrem Aufbau, u.a. bezogen auf die Gesamtdauer und den Workload (ECTS), unterscheiden. Die Studiengangdauer variiert zwischen 6 (180 ECTS), 7 (210 ECTS) oder auch 8 (240 ECTS) Semestern Regelstudienzeit. Unterschiede bestehen auch in der Länge und Rhythmisierung der Praxisphasen. Während z. B. einige Studiengänge nur wenige und dann längere Praxisphasen vorsehen, finden bei anderen Studiengängen in nahezu jedem Semester Praxiseinsätze statt (Knapp/Darmann-Finck 2024). Aus berufspädagogischer Perspektive können geringe Wechsel zwischen praktischen und hochschulischen Studienphasen oder sehr umfangreiche Selbststudienphasen von Nachteil für den Kompetenzerwerb der Studierenden sein. Ein weiterer Befund besteht darin, dass der von den Studiengängen vorgesehene Umfang an Präsenzzeiten im Rahmen der von den Hochschulen angebotenen Lehrveranstaltungen sehr unterschiedlich ausfällt und sich zwischen 1250 Stunden (niedrigster Wert) und 3052 Stunden (höchster Wert) bewegt. Letztlich fehlen aber empirische Grundlagen, um die Auswirkungen der formalen Gestaltungsmerkmale auf den Kompetenzerwerb sicher abschätzen zu können.
Bei der Analyse der LAA hinsichtlich der Berücksichtigung von spezifischen Kriterien der hochschulischen Pflegeausbildung lässt sich feststellen, dass im untersuchten Sample die Spezifika noch nicht durchgängig umgesetzt wurden. Diese Ergebnisse lassen sich möglicherweise damit erklären, dass die eingeschlossenen LAA überwiegend in den ersten Studiensemestern bearbeitet werden sollen. Gleichwohl könnte dieser Befund aber auch darauf hindeuten, dass sich das spezifische Kompetenzprofil des primärqualifizierenden Studiums noch nicht genügend in den Lernmaterialien niederschlägt.
Arbeitspaket 2: Fokus- und Einzelinterviews (KSH München, uzbonn)
2023 wurden zwölf Pflegestudierende und 18 Praxismitarbeitende im Rahmen von Fokusgruppeninterviews von der KSH München befragt und mit diesen die Ergebnisse kommunikativ validiert.
Die Befragten der Praxisperspektive sind den Bereiche Pädagogik (zentrale oder dezentrale Praxisanleitung), Management (Praxiskoordination oder Stationsleitungen) und wissenschaftlich/ fachliche Bereiche (Pflegeexperten oder APN) zuzuordnen. Die Befragten waren im ambulanten und stationären Bereich tätig.
Die Gruppe der Hochschulmitarbeitenden wurde in die Untergruppen Studiengangsverantwortliche und Praxisverantwortliche unterteilt. 2024 wurden 16 Studiengsgangsverantwortliche und 12 Praxisverantwortliche befragt und eine kommunikative Validierung durchgeführt. Die Gruppe der Studiengangsverantworlichen bestand aus Professor/innen und Studiengangsleitungen, zur Gruppe der Praxisverantwortlichen zählen hochschulische Mitarbeitende, die in Bereichen wie Praxisentwicklung und -begleitung, Praxiskoordination, Praxisamt sowie als Praxisreferent/innen tätig sind.
Es wurden Interviewleitfäden entwickelt, die auf die spezifischen Zielgruppen zugeschnitten waren. Die nachstehende Grafik veranschaulicht zentrale Erkenntnisse, die aus den Fokusgruppeninterviews gewonnen wurden.
Neben den Fokusgruppen wurden 2024 insgesamt 20 Einzelinterviews geführt. Hiervon entfielen sieben Gespräche auf Praxisverantwortliche, vertreten war ein Pflegedienst sowie drei Pflegeheime, der Rest der Interviewten arbeitete in verschiedenen Krankenhäusern. Weitere sieben Interviews wurden mit Studierenden geführt und sechs Gespräche mit Hochschulverantwortlichen. Es gingen sowohl inhaltliche Fragen zur Konzeption der Studiengänge ein, die sich aus einer Dokumentenanalyse ergaben, als auch spezifische Fragen und Themen, die im Rahmen der zuvor durchgeführten Fokusgruppen aufkamen und /oder dort nicht vertiefend behandelt werden konnten.
Arbeitspaket 3: Analyse von Evaluations- und Qualitätsberichten (KSH München)
In diesem Arbeitspaket wurden die verfügbaren Ergebnisse aus vergleichbaren Forschungsprojekten zu primärqualifizierenden Studiengängen gesichtet und mit den Ergebnissen der anderen Arbeitspakete in Beziehung gesetzt.
Ergänzend wurden zehn Akkreditierungsberichte primärqualifizierender Pflegestudiengängen in Deutschland zu den dort formulierten Empfehlungen inhaltsanalytisch ausgewertet. Es zeigen sich Nachbesserungsbedarfe in den Kategorien: Studiengangskonzept, Verschriftlichung, Ressourcen, Unterstützung Studierender, Mobilität und Personal.
Veröffentlichungen im Rahmen des Projekts
Blumenschein, J., Müller, J. C., Meng, M., Steck, F. & Reuschenbach, B. (2023). Qualität primärqualifizierender Pflegestudiengänge im Spiegel von Akkreditierungsberichten. Pädagogik der Gesundheitsberufe, 9(4), 183–189.
Knapp, K., & Darmann-Finck, I. (2024). Primärqualifizierende Studiengänge in der Pflege: Gemeinsamkeiten und Unterschiede im formalen Aufbau. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 185, 83–91. https://doi.org/10.1016/j.zefq.2023.12.006