Fachkräftekatastrophe verhindern? Gleichwertigkeit herstellen!
Denkraum 4
Besorgt schauen viele Branchen auf Fachkräfteengpässe, gerade auf der mittleren Fachkräfteebene. Duale Ausbildung scheint für viele Jugendliche nach dem Studium nur die zweite Wahl zu sein. Wie kann Gleichwertigkeit der Bildungswege in der gesellschaftlichen Wahrnehmung gestärkt werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieser Denkraum.
zum Teaser-Video auf TwitterGelingt es nicht die Ausbildungszahlen in wichtigen Aus- und Fortbildungsberufen zu steigern, drohen digitale und ökologische Transformationsprozesse ins Stocken zu geraten oder gar zu scheitern. Daher soll in diesem Denkraum diskutiert werden, wie die im DQR verankerte Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gesellschaftlich stärker sichtbar gemacht und so die Attraktivität beruflicher Bildung gestärkt werden kann.
In einem anregenden Format mit Faktencheks und Stimmen aus der Praxis diskutierten am zweiten Kongress-Tag relevante Akteure beider Bildungsbereiche dieses Thema. Mit einbezogen wurden hierbei Daten aus Projektionen des BIBB zum zukünftigen Fachkräftebedarf und Analysen zum Akademisierungstrend. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die rechtliche Verankerung des DQR als Transparenzinstrument im Bildungswesen gelegt. Dieser hat in Deutschland unter Bildungsexperten zur Sichtbarkeit von gleichwertigen Bildungswegen beigetragen, ist jedoch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung kaum präsent. Gemeinsam mit den Diskutanten wurden folgende Lösungsansätze für eine stärkere Sichtbarkeit beruflicher Bildungschancen in der Gesellschaft erarbeitet.
Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung herzustellen, ist das erklärte Ziel aller auf dem Podium. Die Bemühungen um die Zuordnung von Qualifikationen zum deutschen Qualifikationsrahmen DQR waren hierfür bislang nicht ausreichend erfolgreich. Ist die Schweiz ein Vorbild, in der die Berufsbildung große Attraktivität genießt? Die Lösung könnte also in einer rechtlichen Verankerung der Gleichwertigkeit (Verfassung), wiederkehrenden Image-Kampagnen und insbesondere einem starken politischen Bekenntnis auch im Sinne von Wertschätzung liegen. Ob die rechtliche Verankerung des DQR anzustreben ist, bleibt umstritten. Allein den Kompetenzbegriff im Berufsbildungsgesetz zu verankern, wäre ein erster wichtiger Schritt sein. Das brächte die Gesetzeslage auf Höhe der politischen Vorgaben und der langjähriger Ordnungspraxis.
Dr. Barbara DornAbteilungsleiterin Bildung BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
"Die Sicherung des beruflich qualifizierten Fachkräftenachwuchses bleibt in den kommenden Jahren eine der zentralen Herausforderungen und Erfolgsbedingungen für Wirtschaft und Politik. Auf dem Ausbildungsmarkt herrscht Bewerbermangel, während Ausbildungsplätze reichlich vorhanden sind: Auf 3 Bewerber kommen vier Stellen. Um die Jugendlichen zu gewinnen, muss gute Berufsorientierung für alle gesichert werden, alle Kraft muss auch in der Nachvermittlung noch auf das Matching konzentriert werden. Die bewährten Förderinstrumente wie z.B. die Einstiegsqualifizierung wollen wir weiter optimieren."
Thomas MayrGeschäftsführer des ibw - Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, Wien
„Der österreichische Qualifikationsrahmen NQR basiert auf einem eigenen Gesetz und beinhaltet formale und nicht-formale Qualifikationen. Die durch dieses Instrument zum Ausdruck gebrachte Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Hochschulbildung ist gut und richtig. Dennoch, die Signalwirkung des NQR allein ist zu wenig, den Wert von Berufsbildung entsprechend ihrer Bedeutung am Arbeitsmarkt gesellschaftlich zu verankern. Notwendig sind auch strukturelle Anpassungen, etwa in Bezug auf höhere Berufsbildung und der systematischen Verankerung von Durchlässigkeit und Durchgängigkeit von Bildungspfaden.“
Prof. Dr. Micha TeuscherPräsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
"Berufliche und hochschulische Bildung teilen die Zielsetzung, dass ihre Absolvent*innen für eine angemessene Erwerbstätigkeit qualifiziert werden (Employability). Durch die unterschiedlichen Ausprägungen dieser Kompetenzen in den beiden Bildungsbereichen wird deren Eigenständigkeit gewahrt.
Die aktuellen Krisen machen deutlich, dass sich beide Bildungsbereiche mit der hohen Veränderungsdynamik der Qualifikationsanforderungen auseinandersetzen müssen.
Zentral ist die Formulierung kompetenzorientierter Qualifikationen, um Durchlässigkeit und Kooperationen zu befördern."
Dr. Sonja EngelageEntwicklung der nationalen Forschungstätigkeiten an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB
"Die Gleichwertigkeit der Berufsbildung und der Allgemeinbildung ist in der Schweizer Bundesverfassung verankert. Für ein starkes Berufsbildungssystem sind aber auch der politische Wille und die permanente Pflege des positiven Images der Berufsbildung essenziell. Dazu müssen neue Kulturen geschaffen und Traditionen aufrechterhalten werden, die alle Akteure der Berufsbildung miteinbeziehen."
Dr. Volker BornZentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
"Ladeinfrastruktur implementieren, Wärmepumpen installieren, regionale Energieversorgung durch Privathaushalte einrichten – für all das braucht es berufliche Qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker. All das hat einen Wert für die Gesellschaft und muss sich auch in Wertschätzung für diejenigen abbilden, die diese Werte schaffen. Es braucht ein gesellschaftliches und politisches Bewusstsein, dass beruflich Qualifizierte gleiche Werte schaffen, wie akademische Fachkräfte. Eine gesetzlich fixierte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung – vergleichbar mit der Schweiz – kann einen wichtigen Beitrag zu dieser Wertschätzung leisten."
Programmübersicht
Teil 1 (09:40 Uhr – 10:40 Uhr)
Podiumsdiskussion "Fachkräftekatastrophe verhindern? Gleichwertigkeit herstellen!"
- Moderation: Torben Padur (BIBB)
- Uwe Bartoschek (Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr)
- Dr. Volker Born (ZDH)
- Dr. Barbara Dorn (BDA)
- Prof. Dr. Micha Teuscher (HRK)
- Thomas Sondermann (BMBF)
- Petra Jendrich (Ministerium für Bildung - Oberste Schulbehörde Rheinland-Pfalz)
- Elke Hannack (DGB)
Problemanalyse und Zahlen (Faktencheck): Dr. Regina Dionisius (BIBB)
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in der Schweiz: Dr. Sonja Engelage (EHB)
Teil 2 (10:55 Uhr – 11:55 Uhr)
Podiumsdiskussion "Fachkräftekatastrophe verhindern? Gleichwertigkeit herstellen!"
- Moderation: Torben Padur (BIBB)
- Impuls/Podium: Prof. Dr. Friedrich-Hubert Esser (BIBB)
- Uwe Bartoschek (Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr)
- Dr. Volker Born (ZDH)
- Dr. Barbara Dorn (BDA)
- Prof. Dr. Micha Teuscher (HRK)
- Thomas Sondermann (BMBF)
- Petra Jendrich (Ministerium für Bildung - Oberste Schulbehörde Rheinland-Pfalz)
- Elke Hannack (DGB)
Gleichwertigkeit in Österreich: Thomas Mayr (ibw)