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Verbesserte Ausbildungschancen für Jugendliche, zunehmende Rekrutierungsprobleme für Betriebe

Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2011

Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming, Ralf-Olaf Granath, Elisabeth M. Krekel

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat sich die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt für die Jugendlichen verbessert. Das ist ein Ergebnis der Marktanalysen auf der Grundlage der Daten aus der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09.2011 in Verbindung mit den Daten aus der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit.

2011 wurden auf dem Ausbildungsmarkt 599.800 Ausbildungsplätze angeboten, 20.300 mehr als im Jahr zuvor). Insbesondere auf Seiten der Betriebe stieg das Angebot (+30.800), während die überwiegend öffentlich finanzierte außerbetriebliche Ausbildung zurückgefahren wurde (-10.500). Dem Angebot standen 646.900 Ausbildungsplatznachfrager gegenüber, 2.300 mehr als 2010. Da das Angebot deutlich stärker stieg als die Nachfrage, verbesserten sich die Ausbildungschancen der Jugendlichen; die Angebots-Nachfrage-Relation lag mit 92,7% um 2,8 Prozentpunkte höher als 2010. Insgesamt wurden 570.100 Ausbildungsverträge abgeschlossen (+10.200). Auf Seiten der Jugendlichen waren zum Ende des Berichtsjahres 2011 immer noch 76.700 auf Ausbildungsplatzsuche (7.900 weniger als ein Jahr zuvor); die Zahl der zu diesem Zeitpunkt noch unbesetzten Ausbildungsstellen stieg um 10.100 auf 29.700.

Zum Hintergrund der Entwicklung

Auf dem Ausbildungsmarkt machte sich auch 2011 die demografische Entwicklung bemerkbar; die Zahl der nichtstudienberechtigen Schulabgänger - Hauptklientel der dualen Berufsausbildung - sank um rd. 19.000 gegenüber dem Vorjahr und lag mit 549.000 bereits um mehr als 165.000 niedriger als noch vor sieben Jahren. Die doppelten Abiturientenjahrgänge in Bayern und Niedersachsen sowie die Aussetzung des Wehr- und Zivildienstes gaben dem Ausbildungsmarkt jedoch zusätzliche Impulse. Mit offiziell 646.900 gab es 2.300 Ausbildungsplatznachfrager mehr als 2010.

Das Ausbildungsplatzangebot stieg jedoch deutlich stärker; der Zuwachs betrug rd. 20.300 Plätze. Lässt man die "außerbetrieblichen" Ausbildungsangebote außer Acht, lag der Zuwachs sogar bei 30.800. Ausgelöst wurde die positive Angebotsentwicklung vor allem durch die gute Wirtschaftskonjunktur; das Bruttoinlandsprodukt stieg im ersten Quartal 2011 um 4,7% und im zweiten Quartal um 2,7% gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal. Für die Betriebe war es 2011 allerdings so schwierig wie seit Mitte der 1990er-Jahre nicht mehr, Auszubildende für ihre Lehrstellen zu finden. Insgesamt konnten knapp 29.700 (+10.100) bzw. 5,0% (2010: 3,4%) der angebotenen Lehrstellen nicht besetzt werden. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag deshalb mit bundesweit 570.000 nur um 10.200 höher als im Vorjahr.

Der demografische Trend und der nur verhaltene Zuwachs bei der Entwicklung der Ausbildungsplatznachfrage können die zunehmenden Besetzungsprobleme bei den Lehrstellen jedoch allein nicht erklären. Denn immer noch waren zum Abschluss des Berichtsjahres 2011 (Ende September) wesentlich mehr Ausbildungsstellenbewerber auf Lehrstellensuche (insgesamt 76.700) als Lehrstellen noch zu besetzen waren (29.700).

Rein rechnerisch hätte somit jede der noch offenen Lehrstellen mehr als zweimal besetzt werden können. Dass dies nicht gelang, ist im Wesentlichen Folge starker regionaler und beruflicher Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Die ausbildungsinteressierten Jugendlichen leben oft nicht in ausreichender Zahl dort, wo es genügend Lehrstellen zu besetzen gibt, und dort, wo besonders viele ausbildungsinteressierte Jugendliche leben, gibt es zum Teil immer noch viel zu wenig Lehrstellen. Zu den Regionen mit einem starken Angebotsüberhang zählten im Berichtsjahr 2011 u.a. der durch den Ostseetourismus geprägte Arbeitsagenturbezirk Stralsund (120 Ausbildungsplatzangebote je 100 Nachfrager), darüber hinaus die Bezirke Annaberg (110 Angebote), Rostock (108 Angebote), Passau, Schwandorf (je 106) und Traunstein (105). Deutlich zu wenig Ausbildungsplatzangebote im Vergleich zur Zahl der ausbildungsinteressierten Jugendlichen gab es dagegen u.a. in den Regionen Herford und Helmstedt (je 81 Angebote je 100 Nachfrager), Solingen, Bremerhaven und Recklinghausen (jeweils 82).

Neben regionalen Ungleichgewichten kam es 2011 erneut zu beträchtlichen beruflichen Ungleichgewichten auf dem Ausbildungsmarkt. Sie dürften in 2011 noch dadurch verstärkt worden sein, dass die zusätzlichen Nachfrageimpulse, die durch die doppelten Abiturientenjahrgänge ausgelöst wurden, nicht gleichmäßig allen Berufen, sondern vor allem abituriententypischen Berufen zu Gute kamen. Nur wenig Sorgen um die Besetzung ihrer Angebote mussten sich 2011 jene Betriebe machen, die Lehrstellen in den Berufen Tierpfleger/-in, Gestalter/-in für visuelles Marketing, Mediengestalter/-in Bild und Ton, Fotograf/-in oder Mediengestalter/-in Digital und Print anboten. Die Nachfrage auf Seiten der Jugendlichen war hier sehr hoch, und dementsprechend gab es in Relation zur Zahl der Nachfrager auch nur wenig Angebote (die Angebots-Nachfrage-Relationen - Zahl der Angebote je 100 Nachfrager - variierten lediglich zwischen 54 und 74). Ganz anders sah es aus in den Berufen Restaurantfachmann/-frau, Fachmann/-frau für Systemgastronomie, Klempner/-in, Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk, Fleischer/-in und Gebäudereiniger/-in aus. Aus Sicht der Jugendlichen war die Angebotslage in diesen Berufen sehr gut, doch für die Betriebe war es sehr schwer, ihre Angebote auch besetzen zu können. Je nach Beruf blieben zwischen 15% und 26% des offiziell registrierten betrieblichen Ausbildungsplatzangebots ungenutzt.

Bis zum Jahr 2025 wird sich die Zahl der nichtstudienberechtigten Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen in Ostdeutschland auf niedrigem Niveau stabilisieren. In Westdeutschland geht ihre Zahl dagegen weiter deutlich zurück. Um zu vermeiden, dass trotz insgesamt günstigerer Ausbildungsmarktverhältnisse für die Jugendlichen Lehrstellenbewerber dennoch in größerer Zahl bei ihrer Suche erfolglos bleiben, ist ein Abbau der Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt unerlässlich. Gewichtige Hemmnisse in regionaler Hinsicht sind z.B. ein sehr junges Alter der Bewerber (viele sind erst 16) und die damit verbundenen Einschränkungen (z.B. fehlender Führerschein), aber vermutlich auch fehlende familiäre Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Unterstützung der Mobilität. In beruflicher Hinsicht spielen das von den Jugendlichen vermutete schlechte gesellschaftliche Image einzelner Berufe eine Rolle, darüber hinaus aber auch ungünstige Ausbildungsbedingungen. Nachteilig können sich auch einseitige geschlechtsspezifische Vorlieben auf Seiten der Jugendlichen auswirken. Denn wenn Berufe ausschließlich von Mädchen oder aber von Jungen nachgefragt werden, heißt dies für die betroffenen Betriebe zugleich, dass sie von vornherein auf rund die Hälfte der potenziellen Bewerber verzichten müssen.