1. Deutsch-Lateinamerikanisches Kolloquium „Internationale Berufsbildungsforschung“
Das 1. Deutsch-Lateinamerikanische Kolloquium „Internationale Berufsbildungsforschung“ bot zahlreichen Akteuren der Berufsbildung eine Plattform für Austausch und Vernetzung. Eingeladen hatten das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das mexikanische Bildungsministerium (SEP).
Im Rahmen der Berufsbildungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Mexiko fand am 6. September 2022 das 1. Deutsch-Lateinamerikanische Kolloquium „Internationale Berufsbildungsforschung“ in Mexiko-Stadt statt.
In lebhaften Debatten diskutierten die 150 Forscher/-innen und weitere Akteure der beruflichen Bildung aus Deutschland und Lateinamerika in sechs Workshops mit hochrangigen Vertretern und Vertreterinnen des mexikanischen Bildungssystems der Sekundarschul- und universitären Ebene, der Wirtschaft und der Gewerkschaften die Erkenntnisse aus Forschungsprojekten für den Kontext Mexiko. Über 750 deutsche und lateinamerikanische Expertinnen und Experten nahmen virtuell an dieser Veranstaltung teil.
Die Kooperationsprojekte aus Mexiko, Costa Rica, Peru und Kolumbien wurden im Zeitraum 2018-2022 auf Basis der Förderrichtlinie „Forschung zur Internationalisierung der Berufsbildung“ des BMBF als Kooperationsprojekte von deutschen und lateinamerikanischen Universitäten und anderen (Berufs-)Bildungsakteuren durchgeführt.
Diskutiert wurden die Themen:
- Formate der betrieblichen Ausbildung im mexikanischen Berufsbildungssystem,
- Image dualer Ausbildung in der Gesellschaft,
- Kooperationsmodelle der dualen Berufsbildung,
- Betriebliche Ausbildungsformate der höheren Berufsbildung Mexikos,
- Professionalisierung des pädagogischen Personals für duale Ausbildung sowie
- Bedarfsorientierung in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.
Interdisziplinärer Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis benötigt solide Finanzierung
In seinem Eröffnungsworten hob Prof. Dr. Ertl., Forschungsdirektor und Ständiger Vertreter des Präsidenten des BIBB, hervor, wie wichtig Plattformen und Netzwerke für den interdisziplinären Austausch sowie für den Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und pädagogischer Praxis seien. Die vorgestellten Projekte zeigten die Bedeutung einer soliden Finanzierung. Finanzielle Unterstützung sei auch für die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit in Netzwerken notwendig, um Netzwerke mittel- und langfristig aktiv zu halten. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit Hilfe dieser und hoffentlich folgender Veranstaltungen Impulse für den Aufbau von Berufsbildungsforschung als Wissenschaftsdisziplin in Mexiko und Lateinamerika gesetzt würden.
Der mexikanische Staatssekretär für Sekundarbildung, Dr. Juan Pablo Arroyo Ortiz, hob auf die Bedeutung der Balance zwischen Theorie und Praxis in der Ausbildung ab und verwies auf das nationale Bildungsprojekt der Regierung „Nueva Escuela Mexicana“ (AMLO).
Für die höhere Bildung konstatierte der mexikanische Staatssekretär, Dr. Francisco Luciano Concheiro Bórquez, dass die duale Ausbildung mit Einführung des neuen Bildungsgesetzes für höhere Bildung im Jahr 2021 als Instrument integriert wurde, um technologischen Transformationen gewachsen zu sein.
Forschung unterstützt evidenzbasierte Berufsbildungspolitik
Die Teilnehmenden betonten die Wichtigkeit der Berufsbildungsforschung für die Entwicklung eines zum jeweiligen Land passenden, dualen Ausbildungsmodells im Workshop um „Formate der betrieblichen Ausbildung im mexikanischen Berufsbildungssystem“. Die Berufsbildungsforschung liefere den politischen Entscheidungsträgern die Grundlage für eine evidenzbasierte Berufsbildungspolitik sowie weitere wichtige Erkenntnisse, wie zum Beispiel:
- zu den zu berücksichtigenden Anforderungen jedes Produktionssektors, für die Implementierung des dualen Ausbildungsmodells,
- zur besseren Verzahnung von Grundausbildung und technischer Ausbildung, die den Absolventinnen und Absolventen eine bessere Eingliederung in den produktiven oder beruflichen Sektor ermöglichen könne sowie
- zur erforderlichen Qualifizierung aller an der dualen Ausbildung beteiligten Akteure, einschließlich der Lehrkräfte und der Unternehmen, um die mit der dualen Ausbildung avisierten Ziele zu erreichen.
Schlüsselfaktoren für duale Ausbildungsmodelle
Im Workshop „Kooperationsmodelle der dualen Berufsbildung“ stellten die Teilnehmenden gemeinsame Schlüsselfaktoren für duale Ausbildungsmodelle und bewährte Praktiken heraus. Hierzu zählen:
- eine gute Kenntnis der relevanten (Berufs-)Bildungsakteure des Handlungsfeldes inklusive des Aufbaus eines funktionalen Akteursnetzwerkes, wobei auch die höhere berufliche Bildung einzubeziehen ist,
- eine Vorauswahl der Auszubildenden, um eine hohe Qualität der Ausbildung sicher zu stellen. Dabei sollten diejenigen Jugendlichen gefunden werden, die über Softskills verfügen und einen Mehrwert für das Unternehmen darstellen können sowie
- die Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und Unternehmen, z. B. die Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Konzepte für Aufenthalte von Lehrkräften in Unternehmen und umgekehrt.
Forschungskooperation fördert die Entwicklung eines homogenen dualen Ausbildungssystems
Aus Sicht der Teilnehmenden leistet der Ansatz, Forschungsprojekte als Kooperationsprojekte von deutschen und lateinamerikanischen Universitäten und anderen (Berufs-)Bildungsakteuren durchzuführen, einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines homogenen dualen Ausbildungssystems in Mexiko.
Auch habe sich gezeigt, dass durch die Zusammenarbeit wertvoller Input für den Austausch und die Entwicklung neuer Perspektiven über Themen, die gleichermaßen in Deutschland und in Lateinamerika von Bedeutung sind, generiert wird und Impulse für die qualitative Weiterentwicklung der Berufsbildungssysteme gesetzt werden können.
Weiterer Erkenntnisbedarf bestehe aus Sicht der Teilnehmenden beispielsweise darin,
- wie Schlüsselkompetenzen gestärkt werden können, um einen reibungsloseren Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt oder in die höhere Bildung zu ermöglichen,
- wie nachhaltige Finanzstrukturen für die duale Ausbildung aufgebaut werden können, insbesondere hinsichtlich einer Sensibilisierung von Unternehmen sowie
- wie der Austausch von bewährten Praktiken gefördert werden kann, insbesondere vor dem Hintergrund der Größe des Landes und der unterschiedlichen Praktiken und Programme.
Bei der Veranstaltung waren hochrangige Repräsentanten und Repräsentantinnen des mexikanischen Bildungssystems auf Sekundarschulebene (u.a. die mexikanischen Bildungsanbieter DGETAyCM und DGETI, das BIBB-Partnerinstitut Colegio Nacional de Educación Profesional Técnica (CONALEP) sowie CECYTE) als auch auf universitärer Ebene (u.a. Universitäten und universitäre Vereinigungen wie ANUIES-FESE, die Universidad Autónoma del Estado de Hidalgo, das Tecnológico Nacional de México TecNM), Vertreter/innen der Wirtschaft (u.a. der mexikanische Arbeitgeberdachverband CCE) und der Gewerkschaften (u.a. der mexikanische Gewerkschaftsdachverband CTM) vertreten.
Der Projektträger des DLR (DLR-PT) organisierte diese hybride Veranstaltung gemeinsam mit dem mexikanischen Ministerium für Öffentliche Bildung (Secretaria de Educación Pública, SEP) im Auftrag des BMBF zum Abschluss der Förderrichtlinie „Forschung zur Internationalisierung der Berufsbildung“ des BMBF.
Das BMBF möchte mit dieser Richtlinie institutionalisierte Berufsbildungsforschung für die internationale Zusammenarbeit stärken und ausbauen. Die in Deutschland vorhandene akademische Expertise in der Berufsbildungsforschung und bei der Ausbildung akademischen Berufsbildungspersonals soll Partnerländern zugänglich gemacht werden. So sollen gleichermaßen Partnerländer bei der Modernisierung ihrer Berufsbildungssysteme und deutsche Unternehmen in den Partnerländern bei der Fachausbildung unterstützt werden. Insgesamt wurden in diesem Kontext weltweit 11 Projekte gefördert, davon 4 in Lateinamerika.