Hochschultage: Vortrag "Partizipation in der digitalen Welt durch berufliche Bildung"
20.03.2023
Das Team des Projekts „Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt (KoDiA) – Ertüchtigung zur Digitalisierung“ eröffnete die eintägigen Fachtagung „Berufliche Bildung unter Inklusionsaspekten / Subjekt-Curriculum-Disziplin-Institution“ mit einem Beitrag zur Bedeutung digitaler Kompetenzen für die Partizipation an der Arbeits- und Alltagswelt. Im Zentrum des Beitrags stand die Frage, wie digitale Kompetenzen im Rahmen des Berufsschulunterrichts gefördert werden können.
Die Digitalisierung ist die dominante Entwicklung in der Arbeitswelt. Betroffen von der Digitalisierung sind unter anderem Maschinen, Prozesse, Arbeitsmittel, die Kommunikation, und das in allen Berufen und Branchen. Gleichzeitig sehen wir eine zunehmende Digitalisierung unserer Alltagswelt. Der Umgang mit Behörden wird digitaler, wie die Beispiele der digitalen Steuererklärung oder der Grundsteuer zeigen. Im Alltag ist die Digitalisierung beispielsweise in Form digitaler Fahrscheine (Deutschland-Ticket), ebenso in der digitalen Kommunikation und den digitalen Kommunikationsmitteln (WhatsApp & Zoom auf dem Smartphone, etc.) sichtbar.
Digitale Kompetenzen sind ebenfalls elementar für eine zukünftige berufliche Karriere in der digitalisierten Arbeitswelt und für die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben. Die Förderung digitaler Kompetenzen ist somit eine wichtige Aufgabe des Bildungssystems. Die Berufsschulen am Übergang Schule-Beruf besitzen hierfür eine Schlüsselfunktion. Digitale Kompetenzen, die Auszubildende im Rahmen der Ausbildung erlangen, lassen sich nicht nur im Berufsleben anwenden, sondern fördern die Möglichkeiten der Partizipation in allen Lebensbereichen und somit die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.
Ohne die entsprechenden digitalen Kompetenzen wird das Individuum immer stärker vom gesellschaftlichen und politischen Leben ausgeschlossen. Personen ohne oder mit geringer digitaler Kompetenz, sind nicht nur von vielen Berufsfeldern ausgeschlossen. Ihnen drohen weitere Nachteile: Sie werden schneller Opfer von Fake News und Betrüger*innen (Phishing-Mails), sind eher von politischen Beteiligungsprozessen ausgeschlossen (bspw. Online-Petitionen) und der Zugang zum Arbeitsmarkt wird immer schwieriger. Digitale Kompetenzen sind demnach eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für Partizipation in der Lebens- und Arbeitswelt. Daher ist die Förderung digitaler Kompetenzen in der (Berufsaus-)Bildung von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.
Durch die digitale Transformation ist auch im Bildungsbereich ein tiefgreifender Wandel zu beobachten. Der betriebliche und der schulische Teil der Berufsausbildung werden immer digitaler. In der digitalisierten Lehre bedarf es jedoch einer anderen didaktischen Herangehensweise als in der analogen Lehre. Digitale Kompetenzen lassen sich nicht durch Frontalunterricht fördern, sondern bedürfen alternativer didaktischer Strategien. Ein möglicher Ansatz ist der handlungsorientierte Unterricht, in dem zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen ein gemeinsam vereinbartes Handlungsprodukt die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leitet. Für den erfolgreichen Einsatz ist die intrinsische Motivation der Lernenden von großer Bedeutung. Die empirische Forschung hat gezeigt, dass selbstbestimmte Motivation mit viel besseren Lernergebnissen verbunden ist als die fremdbestimmte Motivation (Chirkov & Ryan, 2001). Deci & Ryan haben in ihrer Selbstbestimmungstheorie (SDT: Self-Determination Theory) gezeigt, dass die Beachtung psychologischer Grundbedürfnisse von großer Bedeutung für ein motiviertes Lernen ist. Kern dieser Theorie ist, dass Lernende durch Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit eher intrinsische Motivation entwickeln als durch ein fremdbestimmtes Lernen wie es im klassischen Frontalunterricht gegeben ist.
Auf Basis dieser Theorie zeigen Beispiele von selbstgedrehten Videos, die Auszubildende im Rahmen der Ausbildung gedreht haben, wie die Erfüllung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nach autonomen Arbeiten, dem Erlebnis der Kompetenz und der sozialen Eingebundenheit zu einer höheren Motivation im Berufsschulunterricht führen können. Die Auszubildenden können frei entscheiden, wie die Videos gestaltet werden und welche digitalen Tools hierfür genutzt werden. Das fertigstellte Video ist ein selbstständig erstelltes Produkt, dass in verschiedenen Kontexten gezeigt werden kann. Dies führt zu einem Erfolgserlebnis und vermittelt das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Da die Videos in der Regel gemeinschaftlich im Team mit anderen Auszubildenden und den Ausbilder*innen erstellt werden, wird das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit ebenfalls erfüllt.
Im weiteren Verlauf der zweitägigen Fachtagung wurde die berufsbildungswissenschaftlichen Fragen nach der angemessenen Curriculumkonstruktion bzw. professionellen Bildungsganggestaltung und Institutionenentwicklung gestellt. Exemplarisch wurden unter Bezugnahme auf die mit dem Einsatz digitaler Medien in der beruflichen Bildung und der Nutzung informeller digitaler Bildungswelten in lebensweltlichen Kontexten einhergehenden Partizipationschancen bzw. Exklusionsrisiken diskutiert. Die Arbeitsgruppe Erziehungswissenschaft mdS Berufspädagogik der Justus-Liebig-Universität Gießen stellte die Bedeutung digitaler Bildungswelten für geringqualifizierte Jugendliche in den Fokus. Die Arbeitsgruppe Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Siegen zeigte, wie Repräsentationen und Vermittlung zentrale Kategorien eines lebendigen Bildungsverständnisses sein können und wie Inklusion in hybriden (Bildungs)Institutionen funktionieren kann. Zum Abschluss der Fachtagung stellte die Arbeitsgruppe Didaktik der Arbeitslehre der Justus-Liebig-Universität Gießen ein interdisziplinäres Projekt zu inklusiver Berufsorientierung vor.
Über das dtec.bw
Das dtec.bw – Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr – ist ein von den Universitäten der Bundeswehr Hamburg und München gemeinsam getragenes wissenschaftliches Zentrum und Bestandteil des Konjunkturprogramms der Bundesregierung zur Überwindung der COVID-19-Krise. Es unterliegt der akademischen Selbstverwaltung. Die Mittel, mit dem das dtec.bw ausgestattet wurde, werden an beiden Universitäten der Bundeswehr zur Finanzierung von Forschungsprojekten und Projekten zum Wissens- und Technologietransfer eingesetzt. dtec.bw wird von der Europäischen Union – NextGenerationEU finanziert.