Handlungsfeld Einarbeitungs- und Onboardingkonzepte
Darum geht es
Dieses Handlungsfeld widmet sich dem direkten Ankommen in der Einrichtung und beleuchtet aus diesem Blickwinkel konkrete Anforderungen an einen solchen Prozess.
Der Begriff des Onboarding bezeichnet dabei wörtlich „das An-Bord-Nehmen” und umfasst gleichermaßen die allgemeine, die fachspezifische und soziale Integration neuer Mitarbeitenden (Birmele et al. 2020). Ein solcher Prozess beginnt zunächst mit dem sogenannten „Preboarding”, die Phase zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsaufnahme. Daran schließt sich die noch stärker organisatorisch geprägte „Orientierungsphase” an, bis die eigentliche „fachliche und soziale Integration” beginnt (Birmele et al. 2020).
Im Wesentlichen geht es hier also darum, Pflegeeinrichtungen dafür zu sensibilisieren, dass eine solche systematische Einbindung von HQP kein Selbstläufer ist, sondern über sämtliche Phasen hinweg die aktive Mitarbeit von Akteur*innen aller Verantwortungsebenen erfordert.
Das ist wichtig
Aller Anfang ist schwer. Das gilt für den Übergang vom Studium zum beruflichen Alltag im Allgemeinen und in besonderem Maße für die Arbeit in einem multiprofessionellen Team wie in der Pflege. Die akademische Qualifizierung der HQP sollte somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dieser Personengruppe zugleich um Berufsanfänger*innen handelt, die auf eine fachliche sowie soziale Begleitung angewiesen sind. Ein gelungener und positiv wahrgenommener Onboarding-Prozess stiftet nicht nur Orientierung, sondern kann auch die Mitarbeitendenbindung stärken (Haufe 2020). Dabei können bereits vorhandene Einarbeitungs- und Onboardingkonzepte als Grundlage herangezogen und auf die Bedarfe der HQP angepasst werden.
Der Onboarding-Prozess sollte stets bestimmten Strukturen folgen, die Halt und Orientierung geben. Hierfür ist die Benennung fester Ansprechpersonen von großer Bedeutung. Wichtig ist zudem, dass in dieser Phase eine regelmäßige und strukturierte Kommunikation der HQP mit dem Management und den direkten Vorgesetzten sowie mit Mentor*innen stattfindet. In welcher Weise der Einarbeitungs- und Onboarding-Prozess genau gestaltet wird, sollte im Vorfeld klar und für alle Beteiligten transparent definiert werden. Insbesondere sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, um Überforderungen zu vermeiden.
Das kann Ihnen helfen
Maßnahmen
Entwicklung eines HQP-gerechten Einarbeitungs- und Onboardingkonzeptes
Was ist das Ziel?
Wie bei jedem strukturierten Einarbeitungs- und Onboardingkonzept ist das übergeordnete Ziel, durch eine gleichermaßen effizient wie mitarbeiterfreundlich gestaltete Ankommensphase den Einstieg in die Praxiseinrichtung zu erleichtern und letztlich ein zielgerichtetes und professionelles Arbeiten zu gewährleisten. Die Zielsetzung lässt sich dabei anhand der drei onboarding-relevanten Aspekte einer fachlichen, sozialen und werteorientierten Mitarbeitenden-Integration (Brenner 2020, S.12f) ausdifferenzieren: Nur, wenn neben einer fachlichen Arbeitsfähigkeit auch die sozialen Facetten des Arbeitsalltags berücksichtigt und spezifische Unternehmensgrundsätze adäquat vermittelt wurden, kann von einem erfolgreichen Onboarding-Prozess ausgegangen werden (ebd.). Das entwickelte Onboarding-Konzept sollte daher maßgeblich an der Erreichung dieser Prozessziele orientiert sein. Für die Gruppe der HQP bedeutet das, dass neue Mitarbeitende am Ende eines erfolgreichen Onboarding-Prozesses Pflegeaufgaben entsprechend ihrer Qualifikation in einer bis dato ungewohnten Arbeitsumgebung übernehmen können und gleichzeitig ihr evidenzbasiertes Wissen Anwendung findet. Voraussetzung ist, die neuen Mitarbeitenden in die bestehenden Pflegeteams so zu integrieren, dass ein produktives Miteinander entsteht.
Wie ist das Vorgehen?
Ein einheitliches Vorgehen bei der Etablierung eines HQP-gerechten Einarbeitungs- und Onboardingkonzeptes lässt sich aufgrund der Diversität der Pflegeeinrichtungen (Versorgungsbereich, Größe, Mitarbeitendenanzahl, etc.) nur schwer beschreiben. Grundsätzlich aber gilt: Nur, wenn alle Mitarbeitenden der Einrichtung in transparenter Form mitgenommen werden, kann das Ankommen gelingen. Das umfasst Mitarbeitende aller Qualifikationsstufen; von den Hilfs- und Assistenzberufen in der Pflege über Pflegefachpersonen, Praxisanleitende bis hin zu Pflegedirektion und dem Management. Entscheidend ist, dass stets konkrete Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen, z. B. in Form von Mentor*innen. Diese sollten konkrete Aufgaben im ersten Orientierungsprozess der neuen Mitarbeitenden übernehmen, wie z. B.:
- Vorstellung der neuen Mitarbeitenden in bei Kolleg*innen aller arbeitsrelevanten Abteilungen, Stationen, Wohnbereiche etc.
- Organisation und Abhalten von Dienstbesprechungen zur Einbindung der neuen MA
- Bereitstellung eines im Vorfeld konzipierten Einarbeitungsplans, welcher Auskunft über Aufgaben, Verantwortungsbereiche etc. gibt. Hilfreich kann der Einsatz von Checklisten, Zeitablaufplänen und ähnlichen Hilfsmitteln sein, um den geplanten zeitlichen Ablauf sowie Fortschritte im Einarbeitungsprozess sichtbar zu machen.
- Durchführung regelmäßiger Feedback-Gespräche
Von entscheidender Bedeutung ist, dass ein bedarfsgerechtes Konzept entwickelt wird, das auf die spezifische Personengruppe der HQP und ihre fachlichen Qualifikationen angepasst ist. Hierfür ist eine gewisse Flexibilität erforderlich, um entsprechend individueller Charakteristika der neuen Mitarbeitenden Anpassungen am Einarbeitungsprogramm vornehmen zu können.
Es sollte stets Wert auf eine sukzessive und kontrollierte Steigerung der Aufgaben und der damit verbundenen Verantwortung gelegt werden, um einen schrittweisen Einarbeitungsprozess zu gewährleisten. So können gleich zu Beginn Überforderung und Überlastung vermieden werden. Etwa 6 Monate sollten für einen nachhaltigen Einarbeitungsprozess eingeplant werden.
Ein gelingendes Ankommen in der pflegerischen Praxis sollte dabei den ersten Schritt darstellen, bevor weitere wissenschaftliche Kompetenzen der HQP eingebracht und in den Vordergrund gerückt werden. Sukzessive sollten sowohl Aufgaben der direkten als auch der indirekten Pflege übergeben werden, um weder zu über- noch zu unterfordern. Nach und nach kann eine Einbindung in konkrete Projekte, Netzwerke, Qualitätszirkel, etc. erfolgen.
Welche Ressourcen sind dafür einzuplanen?
Das Rad muss nicht neu erfunden werden! Für die Erstellung eines Einarbeitungs- und Onboarding-Konzeptes können bereits vorhandene Modelle der Einrichtung als Vorlage fungieren, sollten aber unter Berücksichtigung der gruppenspezifischen Bedarfe der HQP optimiert und auf deren fachliche Qualifikation abgestimmt werden.
Was ist der Mehrwert?
Eine Einrichtung, die dezidiert ein zielgruppenspezifisches Einarbeitungskonzept vorlegen kann, steigert nicht nur die Attraktivität als Arbeitgeber für hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen, sondern betont gleichzeitig die firmeneigene Willkommenskultur. Die erstmalige Erarbeitung konkreter Vorgehensweisen und Strukturen bindet zwar zunächst personelle Ressourcen, kann aber letztlich als nachhaltige Investition betrachtet werden.
Etablierung von Mentoren-, Tandem- und Traineeprogrammen:
Es lassen sich eine Vielzahl von möglichen Instrumenten zur konkreten Einbindung der HQP aufzeigen. Praktisch bewährt hat sich insbesondere in Bezug auf die soziale Komponente des Onboarding-Prozesses die Bildung von Paaren: z. B. in Form von Mentoring-Programmen und Tandems. Zur Stärkung des professionellen pflegerischen Handelns kann zudem ein Trainee-Programm entwickelt werden.
Was ist das Ziel?
Sowohl Mentoren- als auch Tandem-Programme verfolgen das Ziel, neue Mitarbeitende dauerhaft und regelmäßig in einen bilateralen Austausch treten zu lassen. Eine solche Konstellation soll dazu beitragen, auch in größeren, multiprofessionellen Teams Vertraulichkeit herzustellen und eine offene Fragenkultur zu etablieren. Darüber hinaus kann der Lernprozess anhand des Fertigkeits- und Kenntnisstandes der neuen Mitarbeitenden überprüft, gesteuert und unterstützt werden. Das übergeordnete Ziel eines Trainee-Programms besteht vor allem darin, den Trainee so schnell wie möglich fit für seine Rolle als Fachkraft zu machen und sich diese im Idealfall für die Zukunft zu sichern.
Wie ist das Vorgehen?
Mentoren-Programme können eine Möglichkeit darstellen, durch eine gemeinsame Dienstplangestaltung (sofern dies in der Einrichtung umsetzbar ist) mit einer anderen einrichtungserfahrenen Pflegefachperson, einrichtungsspezifische Prozesse, Unternehmenswerte und Hausstandards kennenzulernen. Die Etablierung solcher Mentorenprogramme kann dazu beitragen, dass HQP zum einen immer konkrete Haupt-Ansprechpartner*innen für organisatorische und fachliche Fragen haben, zum anderen aber auch eine soziale Integration in das Team erleichtert wird. Eine nachhaltige Integration von HQP setzt hier die aktive Förderung einer Teamkultur voraus, die bereits im Einarbeitungsprozess auf ein kollegiales Miteinander setzt.
Mentor*innen mit akademischem Hintergrund und Praxisanleitungsqualifikation können dabei als fachliche Vorbilder fungieren, mögliche Karrieremodelle vorleben und in regelmäßigen Reflexionsgesprächen Feedback- und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Um dem spezifischen Qualifikationsprofil der HQP gerecht zu werden, ist nicht zwingend ein*e Mentor*in mit identischem Ausbildungsprofil erforderlich - zumal in der aktuellen Frühphase eine solche Qualifikation ohnehin nicht realisierbar ist. Sollten in der Einrichtung bereits HQP in der direkten Versorgung arbeiten, sind diese für die Mentor*innen-Funktion zu präferieren.
Eine weitere Möglichkeit zur Team-Einbindung von HQP kann zudem die Einführung von Tandem-Programmen sein, in denen Zweier-Teams aus HQP und beruflich erfahrenen, aber nicht hochschulisch qualifizierten Pflegefachpersonen gebildet werden. Hierbei steht der wechselseitige Wissenstransfer im Vordergrund, um die gegenseitige Wertschätzung zu fördern. Auf diesem Wege können berufserfahrene Pflegefachpersonen ihr Praxiswissen teilen und erhalten gleichsam Einblicke in die Arbeitsweise hochschulisch qualifizierter Pflegefachpersonen. Je mehr Verständnis für die spezifischen Qualifikationen der HQP im Team herrschen, desto mehr werden Berührungsängste abgebaut und gegenseitige Wertschätzung gefördert. Es bietet sich hierfür an, in regelmäßigen Abständen Team-Konstellationen in Dienstplänen so zu gestalten, dass Tandem-Partnerschaften realisierbar sind. Im Vorfeld sollte hierfür mit der Belegschaft ausgelotet werden, wer Interesse an der Beteiligung an einem solchen Programm hat, da die Maßnahme von Freiwilligkeit geprägt ist.
Größere Unternehmen bieten für ihre HQP Trainee-Programme an, die individuell auf ihre Einrichtungen zugeschnitten sind. Diese können allgemein oder fachspezifisch (z. B. in Hinblick auf heilkundliche Tätigkeiten, Diabetes mellitus oder die Versorgung von Wunden) gestaltet sein. In erster Linie sollten diese jedoch praktisch ausgerichtet sein, d.h. in Form einer Einbindung in den pflegerischen Alltag, inklusive einer intensiven Betreuung durch persönliche Mentor*innen. Darüber hinaus können Rotationen hilfreich sein, verschiedene Abteilungen kennenzulernen und Netzwerke zu pflegen. Dabei sollte beachtet werden, dass nicht alle Stationen und Wohnbereiche gleichermaßen für den Einsatz von HQP-Berufseinsteiger*innen geeignet sind. Vorab sollte eine dezidierte Bereichsanalyse stattfinden, die personelle und inhaltliche Strukturen in den Blick nimmt. Die Praxiserfahrungen können durch interne (und/oder externe) Weiterbildungen, Seminare und Workshops unterstützt werden. Es ist essentiell, den HQP die Ziele des Trainee-Programms transparent zu kommunizieren und gleichzeitig weitere Anreize für die Zukunft zu setzen. Hilfreich können auch finanzielle Anreize, wie eine höhere tarifliche Eingruppierung von Teilnehmenden sein.
Welche Ressourcen sind dafür einzuplanen?
Die benötigten Ressourcen unterscheiden sich maßgeblich durch Form und Umfang der verschiedenen, hier vorgeschlagenen Programme. Während die Entwicklung von Trainee-Programmen planungs- und arbeitsintensiv ist, sollte der Einsatz von Mentor*innen und Tandempartner*innen mit deutlich weniger Ressourcenaufwand umsetzbar sein. Sowohl Mentor*innen als auch Teilnehmende der Tandem-Programme benötigen hier insbesondere zeitliche Ressourcen, um eine adäquate Betreuung der HQP gewährleisten zu können. Eine Mentor*innen-Tätigkeit sollte zeitlich nicht mit sonstigen Arbeitsaufgaben konfligieren und nicht als Zusatzaufgabe formuliert werden. Nur so kann eine Überlastung der HQP-Begleiter*innen aktiv vorgebeugt werden.
Was ist der Mehrwert?
HQP-Berufseinsteiger*innen wird durch die Einbindung in solche Programme von Anfang an Sicherheit in ihrem täglichen Aufgabenfeld vermittelt und erleichtert ihnen, die Einrichtungen kennenzulernen. Darüber hinaus hilft es ihnen, weitere Kompetenzen aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.
Tipps aus der Praxis
- schrittweises Ankommen in der Einrichtung mit einem Zeitraum von 6 Monaten
- Vermeidung von Überforderung der HQP durch eine sukzessive Steigerung der Aufgabenübernahme
- bei vorhandenen Gegebenheiten, Anstrebung einer Einarbeitung von HQP durch HQP
- Berücksichtigung der Anforderung an den Arbeitsplatz zur Sicherstellung des wissenschaftlichen Arbeitens für HQP z. B. Zugang zu Fachdatenbanken und -portalen
- Einbindung von HQP bei bestimmten Projekten und Terminen z. B. mit dem Management oder bei Qualitätszirkeln
- Sicherstellung eines individuellen Onboardings, z. B. durch Abstimmung auf die jeweiligen Bedarfe der HQP mit entsprechender Anpassung der Maßnahmen und Prozesse
Good Practice
Trainee-Programm am BG Klinikum Bergmannstrost Halle
Am BG Klinikum Bergmannstrost Halle wurde nach der Initiativ-Bewerbung einer Absolventin des primärqualifizierenden Studiengangs „Evidenzbasierte Pflege“ an der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg ein Trainee-Programm entwickelt, dass den Übergang von HQP von der Theorie in die Praxis gewährleisten soll. Die Ziele des Trainee-Programms waren neben der allgemeinen Einarbeitung im Pflegeberuf die Vorbereitung auf spezifische fachliche Tätigkeiten für HQP.
Das zeitlich in eine 9-monatige Einarbeitungs-, eine 6-monatige Entwicklungs- und eine abschließende Ausübungsphase gegliederte Projekt verfolgte letztlich das spezifische Ziel, HQP auf einer allgemeinchirurgischen Station für die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten im Bereich des Diabetischen Fußsyndroms zu qualifizieren. Im Speziellen werden heilkundliche Tätigkeiten in der Versorgung chronischer Wunden und in der Versorgung des Diabetes mellitus Typ II durchgeführt.
Für jede dieser Phasen wurde jeweils eine Checkliste mit spezifischen Lerneinheiten und -zielen entwickelt. Diese umfassen jeweils auch interne und externe Hospitationen sowie Strukturierungshilfen in Form von Wochenarbeitsplänen und beziehen verschiedene Personen- und Berufsgruppen mit ein. So ist z. B. im Rahmen der Entwicklungsphase auch eine Zusammenarbeit mit Schüler*innen und einem ambulanten Pflegedienst vorgesehen. Als Anreizstruktur dienen gleichermaßen eine Vergütungs-Eingliederung im Bereich des akademischen Niveaus sowie die Möglichkeit zur Weiterqualifikation auf Master-Niveau.
Literatur
[13] Birmele, C.; Bömers, J.; Merklin-Wendle, A.; Pohl, F. (2020): Crashkurs Mitarbeiter-Onboarding: Praxiswissen für HR, Coaches und Führungskräfte. Herausgegeben von Veit Lemke. 2. überarbeitete und Erweiterte Auflage. Freiburg: Haufe.
[14] Brenner, D. (2020): Onboarding: Als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren (2. Auflage). essentials. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-30674-8_1.
[15] Haufe (2020): Onboarding als Teil der Employee Experience. Voller Fokus auf den neuen Mitarbeiter. Online verfügbar unter: https://www.myonboarding.de/magazin/onboarding-experience-voller-fokus-auf-den-neuen-mitarbeiter?akttyp=organische%20suche&med=google&aktnr=84834&wnr=04393672