BILT Regionalkonferenz Europa: Inklusion und Exzellenz
10.05.2024
Vom 22. bis 24. April 2024 fand in Como in Italien das BILT Bridging Event: „Towards Inclusive Excellence in TVET“ statt. Rund 70 Berufsbildungsexpertinnen und -experten aus den BILT Regionen Europa, Afrika und Asien-Pazifik beteiligten sich vor Ort. Online verfolgten bis zu 260 Gäste aus aller Welt die Highlights der Veranstaltung. Im Mittelpunkt stand der Austausch über Maßnahmen in Politik und Praxis, die berufliche Aus- und Weiterbildung inklusiv und exzellent gestalten.
Die BILT Regionalkonferenz für Europa wurde vom Internationalen Zentrum der UNESCO für Berufsbildung (UNESCO-UNEVOC) und dem BIBB organisiert; Gastgeber war La Cometa Società Cooperativa Sociale, ein UNEVOC-Zentrum und Europäisches Zentrum für inklusive Exzellenz. Ein Interview mit Alessandro Mele, Präsident von Cometa, wurde in Vorbereitung auf die Konferenz veröffentlicht.
Videomitschnitte der Konferenz stehen auf der Konferenzwebseite zur Verfügung; die Präsentationen der Redner sind hinterlegt und eine virtuelle Postergalerie steht zur Verfügung, die Beiträge der BILT Community ausstellt.
Dokumentation
Tag 1:
- Keynote Anastasia Pouliou, Cedefop: VET excellence and inclusion
- Roundtable I The UNESCO Strategy for TVET - aspirations and realities
- Roundtable II The role of TVET networks to support the transformation towards inclusive excellence in TVET
- Gianluca Brenna: Towards inclusive excellence in TVET
- Study Visit to the HOLCIM cement production unit in Merone
Tag 2:
- Impulse Talk Michael Wiechert: BIBB’s role and activities in national and international networks to develop inclusive, flexible and excellent TVET systems.
- Cahyanti Ratri, EU-ASEAN Sustainable Connectivity Package – Higher Education programme, Nuffic Southeast Asia, Indonesia
- Yvonne Jänchen, Movetia, Switzerland: Exchange and mobility
- Christine von Harrach, Donor Committee for dual Vocational Education and Training (DC dVET)
Keine Exzellenz ohne Inklusion
Der Austausch zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der BILT-Regionen und zwischen Berufsbildungspolitik und -praxis belegte ein gemeinsames Grundverständnis: Inklusion ist eine Voraussetzung für Exzellenz in beruflicher Aus- und Weiterbildung. Die Berufsbildung hat ein besonderes Potential, Risikogruppen anzusprechen und sie vor Exklusion in Bildung, Arbeit und Gesellschaft zu bewahren.
Auszubildende und junge Menschen mit Ausbildungsabschluss waren an den drei Tagen der Veranstaltung eingebunden. Arno Schrooyen von der European Students‘ Union bekräftigte, was in den Diskussionen wiederholt aufkam: „Lernende und ihre Vertretungen wissen, was die wirklichen Schwierigkeiten sind. […] Ihnen zuzuhören und sie in Entscheidungsprozesse wirklich aktiv einzubinden, ist das wichtigste.“ Exzellenz zeigt sich in der konkreten Realisierung von Inklusion.
Lernende und ihre Vertretungen wissen, was die wirklichen Schwierigkeiten sind. […] Ihnen zuzuhören und sie in Entscheidungsprozesse wirklich aktiv einzubinden, ist das wichtigste.
Politische Perspektiven auf Vielfalt
Es wurde keine gemeinsame Definition für „inklusive Exzellenz“ festgelegt. Gerade für Europa betonte Anastasia Pouliou, Cedefop, in ihrer Keynote am ersten Tag der Veranstaltung die Vielfalt der Ansätze. Vergleichende Berufsbildungsforschung ist ein Schlüssel zu tieferem Verständnis, indem sie einen genauen Blick in die Mitgliedsstaaten wirft und die Ansätze analysiert, die zu Inklusion und Exzellenz – teilweise mit anderen Begrifflichkeiten und zum Teil schon seit Jahrzehnten – in den unterschiedlichen Berufsbildungssystemen gewachsen sind. Dabei sind die Perspektiven des Arbeitsmarktes und der Pädagogik auf Inklusion und Exzellenz ebenso wichtig für ein ganzheitliches Verständnis wie der Blick auf das Berufsbildungssystem und seine Steuerung. Entsprechend ausgerichtet ist das neue Cedefop-Forschungsprojekt „21st century VET: the balancing of excellence and inclusion (2023-2026)“, in das ihre Präsentation einen ersten Einblick gab.
Isabelle Le Mouillour, Leiterin des Arbeitsbereichs „Berufsbildung im internationalen Vergleich, Forschung und Monitoring“ im BIBB, schließt in ihrem Impulsvortrag an die einleitende Keynote an. Sie bestätigt: „Exzellenz ist vieldeutig.“ Sie stellt die Frage nach der Messbarkeit inklusiver Exzellenz. Ist zum Beispiel der entscheidende Indikator, wie viele Auszubildende schlussendlich auf dem Arbeitsmarkt integriert sind? Und wie lassen sich Zugang zu (Berufs-) Bildung und Wahlfreiheit für alle mit Bildungssystemen vereinen, die durch Hierarchien und Stratifizierung charakterisiert sind?
Die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung der Bundesregierung führt Isabelle Le Mouillour als Beispiel für eine Strategie an, die gesellschaftliche Teilhabe in den Fokus rückt. Hier wird die Weiterentwicklung vielfältiger Berufsbildungsangebote gefördert, die individuelle Perspektiven geben. Auch die Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen und Qualifikationen erleichtert Integration ebenso wie anerkannte Abschlüsse, die eine positive ‚Signalwirkung‘ auf dem Arbeitsmarkt haben und den Weg in den Beruf ebnen.
Für die Afrikanische Union lenkte Sophia Ashipala den Blick auf das laufende „Jahr der Bildung“ in 2024, das – ähnlich dem Europäischen Jahr der Kompetenzen – den Fokus auf die Vermittlung relevanter Kompetenzen für den Arbeitsmarkt legt. Und zwar in qualitativ hochwertigen, inklusiven Angeboten, die insbesondere Jugendlichen aus unterschiedlichsten Kontexten offenstehen und ihnen über eine formale Ausbildung eine berufliche Perspektive geben.
Für das ASEAN TVET Council erläuterte Dr Paryono Paryono, SEAMEO VOCTECH, in einer Video-Botschaft, dass auch hier Inklusion und Exzellenz in den politischen Strategien prominent platziert sind. Wieder steht die erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt im Zentrum der Bemühungen um Zugang für alle, Qualität und Relevanz der Berufsbildung. Dato J. Palaniappan, ASEAN Future Workforce Council, betonte aus Arbeitgeberperspektive, dass gerade die großen Unternehmen Inklusion priorisieren sollten, um positiven Einfluss auszuüben und zum Beispiel in Partnerschaften mit der öffentlichen Hand inklusive Berufsbildungsangebote aufzubauen.
Globale Netzwerke: Inklusion und Exzellenz als Mission
Michael Wiechert, Leiter des Arbeitsbereichs „Internationale Beratung, Kooperation mit Partnerinstitutionen“ im BIBB, stellte in seinem Impulsvortrag aus deutscher Perspektive Lösungsansätze vor, die aktuelle Herausforderungen im Kontext von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischem Wandel adressieren und zugleich Teilhabe an exzellenter Berufsbildung stärken. Dazu gehörten zum Beispiel individuell gestaltbare Karrierepfade und flexible Ausbildungsangebote mit Anrechnungsmöglichkeiten für bereits erworbene Kompetenzen sowie passgenaue Berufsorientierung. Impulse aus der internationalen Arbeit des BIBB sind in diesen Bereichen für das deutsche System gewinnbringend, genauso wie das BIBB Erfahrungen, Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aus Deutschland in die internationalen Netzwerke und Kooperationen einbringt.
Die Paneldiskussion zur Rolle internationaler Netzwerke in der Förderung von Inklusion und Exzellenz mit Susanne Nielsen, European Training Foundation (ETF), Paolo Nardi, European Forum for Vocational Education and Training (EfVET) und Friedrich Hübler, UNESCO-UNEVOC, zeigte deutlich, dass die Aktivitäten der internationalen Netzwerke ineinandergreifen. Wie Susanne Nielsen, ETF, betonte: „Wir müssen das Wissen und die Peer Learning Plattformen, die existieren, bestmöglich nutzen. Wir müssen unsere Stimmen vereinen, um Wandel in Berufsbildungssystemen voranzutreiben. Berufsbildung muss gemeinsam mit nachhaltigem und sozial gerechtem Wandel ganz oben auf die globale Bildungsagenda.“
Das passte perfekt zu Michael Wiecherts Appell zu Beginn:
Die Transformation zu inklusiver Exzellenz muss zur Mission für die Netzwerke in der Berufsbildung werden.
Austauschformate und Erkenntnisse
Besonders aktiv in die Diskussionen einbringen konnten die Teilnehmenden sich in zwei Formaten: Zum einen in Poster-Präsentationen, in denen sich ausgewählte Projekte und Initiativen passend zu den Konferenzthemen vorstellen konnten. Moderiert von Cara Schmitt, wissenschaftliche Mitarbeiterin für BILT im BIBB, führten diese Blitzlichter zu angeregtem Austausch.
Zum anderen boten parallele Workshops am ersten Tag bereits Raum für Erfahrungsaustausch, darunter ein „Roundtable“ moderiert von den BIBB-Kollegen Michael Schwarz und Katharina Engel zur Frage: Was macht Netzwerke besonders stark, um Inklusion und Exzellenz in der Berufsbildung voranzubringen? Teil der Antwort ist: Prinzipien wie Ko-kreation, die Offenheit, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen, bis hin zu den erweiterten Möglichkeiten Projekte zu realisieren und mehr Sichtbarkeit zu generieren.
Besonderen Fokus auf Inklusion in der Praxis legte das Learning Lab am dritten Tag der Veranstaltung, moderiert von Jessica Rosenfeld, BIBB, und Felister Munyi, UNESCO-UNEVOC. Zwei Ansätze für eine ganzheitliche Ausbildung im Gastgewerbe wurden vorgestellt: Cometas „MiniMaster“ und die „Her Turn“-Initiative aus Vietnam. Schauen Sie sich die Aufzeichnung an!
Die Videomitschnitte und vielfältigen weiteren Beiträge der drei Veranstaltungstage können in der Dokumentation nachvollzogen werden. Stark verkürzt identifizierte die Fachkonferenz folgende Erkenntnisse zu inklusiver und exzellenter Berufsbildung:
- Politische Strategien müssen die Rahmenbedingungen und insbesondere die Förderstrukturen schaffen, innerhalb derer Inklusion und Exzellenz praktisch umgesetzt werden können. Inklusion und Exzellent sind Anforderungen an das System.
- Die Beteiligung der Auszubildenden an Entscheidungsprozessen zur Gestaltung der Berufsbildung ist eine Gelingensbedingung für Inklusion und Exzellenz.
- Im Zentrum von „inklusiver Exzellenz“ stehen qualitativ hochwertige, flexible Berufsbildungsangebote,
- die an die individuellen Anforderungen der diversen Lernenden angepasst sind und ihnen persönliche Entfaltung ermöglichen sowie
- auf die Bedarfe des Arbeitsmarkts zugeschnitten sind und so allen Lernenden einen Übergang in Beschäftigung ermöglichen.
- Der Aufbau starker Netzwerke zwischen Politik, Praxis und Arbeitsmarkt – national wie regional und international – ist Voraussetzung für effektive Inklusion, die als Indikator für Exzellenz u.a. die erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt annimmt.
Ausblick: BILT Bridging Event in Afrika
BILT Bridging Events finden reihum in den BILT Regionen Europa, Afrika und Asien-Pazifik statt und werden von einem UNEVOC-Zentrum organisiert, das als aktiver Partner Berufsbildungsakteure in der Region und darüber hinaus vernetzt. Das nächste Bridging Event wird im 4. Quartal 2024 in Afrika ausgerichtet. Melden Sie sich für unseren Newsletter an, um rechtzeitig über Teilnahmemöglichkeiten informiert zu werden.