„ProMech-I“: Drei Fragen zum Projektabschluss an Ralf Marohn
Das Projektteam von „ProMech-I“ entwickelte für die Ausbildung der Mechatroniker/-innen ein VR-basiertes Trainingssystem. Auch für die Qualifizierung des Ausbildungspersonals wurden Konzepte erprobt. Im Interview berichtet Projektleiter Ralf Marohn über Meilensteine und Erfolge der Projektarbeit.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit dem Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung zielte das BMBF darauf ab, die digitale Transformation in den ÜBS weiter voranzutreiben. Inwiefern ist es Ihnen gelungen, mit Ihrem Projekt die überbetriebliche Ausbildung zu modernisieren und welchen Mehrwert konnten Sie für Ihre ÜBS generieren?
Ralf Marohn: Mit dem Projekt „ProMech-I“ ist es uns als saz – Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum e.V. gelungen, unser überbetriebliches Ausbildungsangebot für Mechatroniker/-innen an die durch die Digitalisierung veränderten Anforderungen der Wirtschaft anzupassen. Um die veränderten Bedarfe zu erfassen, reicht es nicht, diese anhand der Ausbildungsordnung zu analysieren. Vielmehr hat das Projektteam sie im betrieblichen Kontext ermittelt, um so eine bedarfs- und praxisorientierte überbetriebliche Ausbildung (ÜBA) anzubieten. Ein erfolgreiches Werkzeug war hierbei die Betriebserkundung durch das Ausbildungspersonal. So konnten die Ausbildenden die Bedarfe direkt im Betrieb vor Ort ermitteln und Informationen zur Gestaltung von praxisorientierten Lernszenarien gewinnen. Die Erkenntnisse sind im Anschluss in die Neu- bzw. Weiterentwicklung der ÜBA-Kurse eingeflossen. Über den methodischen Ansatz kam zudem das Ausbildungspersonal beider Lernorte miteinander ins Gespräch, welches zur Optimierung der Lernortkooperation und Kundenbeziehung beigetragen hat.
Die ÜBA-Kurse wurden im Projekt unter den Aspekten der Kompetenz- und Prozessorientierung überarbeitet und neu erarbeitet. Fortan steht dadurch verstärkt das aktive Erlernen von Fähigkeiten und Kenntnissen im Mittelpunkt der ÜBA. Hierzu wurden verschiedene realitätsnahe Lern- und Arbeitsaufgaben erarbeitet und in das Ausbildungsdesign integriert. Die Aufgaben basieren auf dem Modell der vollständigen Handlung. Die Auszubildenden bearbeiten diese selbstständig und setzen so das Erlernte unmittelbar um. Da die Aufgaben aus der beruflichen Realität kommen, fällt es den Auszubildenden leichter, eine Verbindung zur beruflichen Wirklichkeit herzustellen und die in der ÜBA erworbenen Fertigkeiten und Fähigkeiten im betrieblichen Ausbildungsalltag anzuwenden. Damit wurde der Nutzen der ÜBA für unsere Kundschaft verbessert.
Ziel muss es immer sein, dass Technologien die Ausbildung so unterstützen, dass Lernziele besser erreicht werden.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt im Projekt war die Integration von digitalen Technologien in die ÜBA. Hierbei war es wichtig, sich im Vorfeld über die angestrebten Ziele durch deren Einsatz im Klaren zu werden. Ziel muss es immer sein, dass Technologien die Ausbildung so unterstützen, dass Lernziele besser erreicht werden. So ermöglicht beispielsweise der Einsatz von Simulationssoftware den Auszubildenden theoretische Zusammenhänge anschaulich und praxisnah nachzuvollziehen. Auch führt das Ausprobieren verschiedener Szenarien dazu, dass sie Erfahrungen sammeln, welche im Anschluss auf andere Aufgabenstellungen übertragbar sind. Des Weiteren lässt sich unter Zuhilfenahme von Simulationssoftware gezielter auf die Lernvoraussetzungen der einzelnen Auszubildenden eingehen und so der Output der ÜBA verbessern. So kann zukünftig durch die Implementierung von digitalen Technologien die ÜBA interessanter und abwechslungsreicher gestaltet werden. Natürlich berichten Auszubildende in den Unternehmen über den Einsatz von digitalen Technologien und die Veränderung der Ausbildung. Das alles stärkt die ÜBA als wichtiges Element der dualen Ausbildung.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Wenn Sie die Produkte und Ergebnisse aus Ihrem Projekt betrachten: Was davon wird aktuell in Ihrem Bildungszentrum genutzt und was soll zukünftig noch genutzt werden?
Ralf Marohn: Ziel des Projekts war es, das überbetriebliche Ausbildungsangebot für Mechatroniker/-innen unter fachdidaktischen und berufspädagogischen Gesichtspunkten an die mit der Digitalisierung einhergehenden Anforderungen anzupassen. Hierzu wurden 13 Kurse überarbeitet und drei neu entwickelt. In ihnen wird die eigenverantwortliche Nutzung digitaler Technologien für die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz sowie das Verständnis von Prozessen und Systemen gefördert. Diese Kurse werden in der derzeitigen ÜBA genutzt. Die Konzeption soll auf andere Kurse und Berufe übertragen werden.
Speziell für die Ausbildung der Mechatroniker/-innen wurde ein VR-basiertes innovatives Trainingssystem entwickelt, mit dem Auszubildende effektiv und ressourcenschonend auf Teile der Abschlussprüfung vorbereitet werden. Die Auszubildenden tauchen in der Lernanwendung direkt in die virtuelle Welt eines mechatronischen Schaltschranks ein und lösen in mehreren Arbeitsschritten Teilaufgaben. Dadurch entsteht ein ganz neues Lernerlebnis. Zudem ermöglicht die Anwendung das Lernen und Ausprobieren unabhängig davon, ob Schaltschränke tatsächlich in der ÜBS vor Ort vorhanden sind.
Das VR-basierte Trainingssystem kann zum einen dazu beitragen die Attraktivität der ÜBA zu steigern. Wir holen die Generation der heutigen Auszubildenden damit in ihrer Lebenswelt ab und schaffen so ein Lernerlebnis neuer Dimension. Zum anderen bietet das System neue Möglichkeiten, Ausbildungsabschnitte den sich veränderten Rahmenbedingen anzupassen und neu zu gestalten. Es ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges und vor allem handlungsorientiertes Lernen. Dieser Ansatz begeisterte neben anderen Bildungsunternehmen auch Ausbildungsbetriebe, so dass hierzu ein Geschäftsmodell erarbeitet wurde und sich in der Umsetzung befindet. Die VR-Lernanwendung wurde zudem mit dem „eLearning AWARD 2024“ in der Kategorie Ausbildung ausgezeichnet. Mit dem jährlichen „eLearning AWARD“ werden durch das eLearning Journal innovative Projekte mit Vorzeigecharakter prämiert.
Im Rahmen der Projektarbeit wurde auch deutlich, dass sich durch die Digitalisierung die Anforderungen an das Ausbildungspersonal veränderten. Sie benötigen neben dem entsprechenden beruflichen Selbstverständnis auch berufspädagogische Professionalität. Beides ist wichtig und muss auf dem aktuellen Stand sein. Im Projekt wurde daher ein strategisches Weiterbildungsmanagement für das Ausbildungspersonal entwickelt und implementiert. Ein entscheidendes Werkzeug ist dabei eine zielorientierte, individuelle Weiterbildungsplanung. In der Weiterbildung selbst hat sich bewährt, konkrete Fragestellungen und Herausforderungen im Ausbildungsalltag der Ausbilder/-innen aufzuzeigen und in der Gemeinschaft wirksame Lösungsansätze zu entwickeln. Dieser Ansatz unterstützt eine kontinuierliche Weiterentwicklung der berufspädagogischen Expertise einschließlich der mediendidaktischen Handlungskompetenz. Räume zu schaffen für den innerbetrieblichen Austausch, Ängste des Ausbildungspersonals zu erkennen und zu nehmen, Unterstützung anzubieten, sind wesentliche Aspekte eines gelungenen Veränderungsprozesses. Diese in „ProMech-I“ praktizierte Herangehensweise wird auch in Zukunft im saz genutzt.
Digitalisierung allein macht die ÜBA nicht besser, sie muss die Lehr-/Lerntätigkeit zielorientiert unterstützen.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Sie haben 2,5 Jahre lang als Projektleiter an dem Projekt mitgewirkt. Welche Erkenntnis oder welche Erfahrung ist Ihnen besonders haften geblieben?
Ralf Marohn: Für uns als überbetriebliche Bildungsstätte war und ist es wichtig, sich stetig den Anforderungen der digitalen Transformation zu stellen. Blickt man auf die zurückliegenden 2,5 Jahre zurück, komme ich zur Erkenntnis, dass Digitalisierung nur über einen ganzheitlichen Ansatz funktioniert. Das bedeutet, dass ausgehend von den derzeitigen und zukünftigen Anforderungen an die überbetriebliche Ausbildung die Unternehmens- und Technologiestrategie angepasst werden muss. Neben der Anschaffung zeitgemäßer digitaler Ausstattung und einer didaktisch-methodischen Modernisierung von Ausbildungskonzepten bedurfte es auch Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation. Dabei war ein zielführendes Werkzeug die Entwicklung und Umsetzung einer auf das Unternehmen ausgerichteten „Digitalen Agenda“.
Digitalisierung allein macht die ÜBA nicht besser, sie muss die Lehr-/Lerntätigkeit zielorientiert unterstützen. Hierzu ist es notwendig, dass Ausbildungspersonal frühzeitig in den Veränderungsprozess einzubinden. Das Personal ist der Schlüssel zum Erfolg. Dabei geht es darum, die Mitarbeitenden so früh wie möglich über anstehende Veränderungen zu informieren, Ängste zu erkennen und abzubauen sowie Kompetenzen zu entwickeln. Dieses gelingt u. a. über konkrete Fragestellungen und Herausforderungen. Dabei steht die Frage des Nutzens für Ausbildende im Fokus. Wenn es gelingt, diesen zu vermitteln, ist das Tor für den Einsatz digitaler Technologien in der ÜBA geöffnet. Im weiteren Verlauf geht es um die gemeinschaftliche Entwicklung von zielorientierten Lösungsansätzen. Denn dadurch wird eine kontinuierliche Weiterentwicklung der berufspädagogischen Expertise einschließlich der mediendidaktischen Handlungskompetenz unterstützt. Räume zu schaffen für Austausch, Ängste zu nehmen und Unterstützung zu bieten, Bedarfe zu ermitteln und stets die Sinnfrage zu klären, sind wesentliche Aspekte eines gelungenen Veränderungsprozesses. Eine moderne Ausstattung macht nicht per se eine moderne überbetriebliche Bildungsstätte aus. Beschäftigte sollten von Anfang an mitgenommen werden, denn das Ausbildungspersonal ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, um eine hohe Qualität der ÜBA sicherzustellen. Das ist dem Projekt „ProMech-I“ sehr gut gelungen.
Es hat mir Spaß gemacht, im Rahmen des Sonderprogramms ÜBS-Digitalisierung mitzuwirken. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Partnern und Unterstützern bedanken. Der Dank gilt auch an den Fördermittelgeber und das Team von ÜBS-Digitalisierung im BIBB.