Je mehr Homeoffice, desto besser die Vereinbarkeit? Nicht unbedingt…
25.10.2024 | Mergener, Alexandra; Rinke, Timothy; Entgelmeier, Ines
Homeoffice wird als Instrument der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben diskutiert. Alexandra Mergener (BIBB), Timothy Rinke (IAQ) und Ines Entgelmeier (BAuA) zeigen: Abstimmung von privaten und beruflichen Angelegenheiten verläuft nicht immer linear, sowie zwischen Müttern und Vätern ungleich.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Forschung mit der Frage, ob Homeoffice den Beschäftigten dabei helfen kann, die Anforderungen von Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. In diesem Artikel wurde die Boundary-Theorie herangezogen, um zu zeigen, wie Homeoffice mit der Auflösung zeitlicher und räumlicher Grenzen verbunden ist und damit die Berücksichtigung privater Bedürfnisse bei der Arbeitszeitplanung erleichtern kann. Ein besonderes Augenmerk legt der Beitrag dabei auf den Umfang, in dem von zuhause gearbeitet wird und inwiefern sich Mütter und Väter diesbezüglich unterscheiden.
Auf Basis der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 zeigt die Studie, dass der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Homeoffice und der zeitlichen Abstimmung von Arbeit und Privatleben der Beschäftigten umgekehrt U-förmig verläuft. Das bedeutet, dass es Beschäftigten im Durchschnitt bis zu einem Anteil von etwa 70 Prozent der Gesamtarbeitszeit besser gelingt bei der Arbeitszeitplanung auf ihre privaten Angelegenheiten Rücksicht zu nehmen als Beschäftigten, die gar nicht im Homeoffice arbeiten. Dabei gelingt die zeitliche Abstimmung den Beschäftigten durchschnittlich am besten, wenn sie 40 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit im Homeoffice verbringen. Arbeiten sie 80 Prozent oder mehr ihrer Gesamtarbeitszeit von zuhause, gelingt ihnen die Vereinbarkeit sogar durchschnittlich schlechter als Beschäftigten ohne Homeoffice. Dieser Befund ist jedoch auf geschlechtsspezifische Unterschiede zurückzuführen. So zeigen getrennte Analysen, dass vor allem bei Müttern ein sehr hohes Ausmaß an Homeoffice mit einem geringeren Erfolg bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbunden ist, während Väter durchschnittlich bei häufigem Homeoffice eine bessere oder gleiche Vereinbarkeit erfahren wie Väter ohne Homeoffice.
Eine Erklärung könnte sein, dass aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Rollenerwartungen für Mütter eher als für Väter ein hoher Umfang an Homeoffice auch mit hohen Erwartungen an ihre Beteiligung an der Haus- und Betreuungsarbeit einhergeht. Gleichzeitig ist die Nutzung von Homeoffice in sehr hohem Ausmaß oft mit höheren Erwartungen an die ständige Erreichbarkeit für die Arbeit verbunden. In diesem Fall verschwimmen bei gleichzeitiger Beanspruchung von Arbeit und Privatleben die Grenzen und machen es schwieriger, beide Bereiche zu vereinbaren.
Um die Vorteile von Homeoffice auch bei extensiver Nutzung ausschöpfen zu können, bedarf es daher klarer Regeln, z. B. hinsichtlich der Erwartungen an die Erreichbarkeit für bezahlte Arbeit sowie für Haus- und Betreuungsarbeit.
Der Beitrag ist open access im internationalen Peer-Review-Journal „Social Sciences“ erschienen.
Mergener, Alexandra; Rinke, Timothy; Entgelmeier, Ines (2024): Is More Really More? Evidence of a Curvilinear Relationship between the Extent of Telework and Employees’ Temporal Alignment of Work and Private Life in Germany. Social Sciences 13 (10), 508. https://doi.org/10.3390/socsci13100508