U-Stahl ade
U-Stahl ade – Vom U-Stahl-Feilen zur Azubi-Firma
U-Stahl-Feilen – ein Sinnbild für tradierte Lehr- und Lernmethoden. Drei ÜBS aus Südwestfalen möchten sich mit „U-Stahl ade“ davon verabschieden und die metalltechnische Grundausbildung reformieren. Auszubildende sollen fortan in einer Azubifirma entlang der Wertschöpfungskette lernen und neben Fachkenntnissen Kompetenzen wie Kreativität erwerben.

Ausgangslage
Die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) in Südwestfalen sehen sich mit großen Veränderungen konfrontiert. Die Zahl der jungen Menschen schrumpft und ihr Berufswahlverhalten ändert sich. Ausbildungsplätze bleiben immer häufiger unbesetzt. Betriebe stellen daher zunehmend Jugendliche ein, die nicht über die notwendige Ausbildungsreife verfügen. Die Auszubildenden bringen dadurch sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und Sozialkompetenzen mit in die Kurse der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA), was wiederum die Ausbilder/-innen in den ÜBS vor neue Herausforderungen stellt.
Der Fachkräftemangel gefährdet auf Dauer auch den Industriestandort Südwestfalen, da er den technologischen Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen negativ beeinträchtigt. Um dem entgegenzuwirken, müssen Auszubildende besser auf die zukünftigen Anforderungen in den Betrieben vorbereitet werden. Insbesondere „weiche“ Kompetenzen wie Kreativität, Resilienz oder Problemlösefähigkeit sind zunehmend gefragt, werden jedoch in der Ausbildung oft nur unzureichend vermittelt.
Hier setzt das Projekt „U-Stahl ade“ des Berufsbildungszentrum (bbz) der IHK Siegen, des Bildungszentrums Wittgenstein (BZW), der LEWA Attendorn und der Fernuniversität Hagen an.
Ziel
Ziel des Projekts ist es, die ÜBA in der Metall- und Elektroindustrie in der Region Südwestfalen so umzugestalten, dass ein passgenaueres Angebot für die Betriebe erreicht wird. Dazu streben die am Projekt beteiligten ÜBS an, enger zusammenarbeiten. Konkret ist geplant, gemeinsam ein Konzept zu entwickeln und zu erproben, das den Grundlehrgang Metall in eine interdisziplinäre Azubifirma transferiert. Hierfür sollen moderne Lern- und Lehrformate entstehen, die nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern Auszubildenden verschiedener Gewerke ermöglichen, gemeinsam Probleme zu lösen, kreativ zu denken und flexibel auf Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird dabei besonders gefördert.
Projektschritte und -umsetzung
Im Projekt soll eine Azubifirma für die metalltechnische Grundausbildung etabliert werden. Die Azubifirma stellt dabei ein eigenverantwortlich gegründetes und geführtes Übungsunternehmen dar. Das heißt, dass die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Vertrieb abgebildet und durch die Auszubildenden der entsprechenden Gewerke bearbeitet wird. Die in der Ausbildung regulär anzufertigenden Metallprodukte werden also durch die Auszubildenden hergestellt und anschließend tatsächlich zum Verkauf angeboten – statt wie bisher in Vitrinen aufgestellt oder entsorgt zu werden. Um die Azubifirma an den Start zu bringen, wird das Projektteam…
- … in einem ersten Schritt die bestehenden Grundlehrgänge analysieren und bewerten, insbesondere im Hinblick auf die eingesetzten Lern- und Lehrformate,
- … die Ausbildungsrahmenlehrpläne analysieren und mit den Anforderungen der betrieblichen Praxis abgleichen,
- … darauf aufbauend ein Konzept für die interdisziplinäre Azubifirma auf Grundlage einer Geschäftsidee entwickeln, die sowohl den Anforderungen der Ausbildungsordnungen als auch den Bedürfnissen der Ausbildungsbetriebe gerecht wird,
- … Gelingensbedingungen für den Einsatz der Azubifirma formulieren und die inhaltlichen, didaktischen, pädagogischen, technischen, organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen festlegen,
- … ein didaktisches Rahmenkonzept mit passenden (digitalen) Lehr- und Lernformaten (z. B. Lernvideos, Web Based Trainings, Learning Nuggets) erarbeiten und die Azubifirma räumlich (angedacht sind ein „Learning and Collaboration Hub“ als zentraler und multifunktionaler Lern- und Arbeitsort sowie ein „Shopfloor Space“ als Kommunikationsinsel im Werkstattbereich, z. B. für Meetings) und technisch (mit Tablets, VR-Brillen, 3D-Druckern, etc.) ausgestalten,
- … das Ausbildungspersonal fachlich, methodisch und sozial darin schulen, das Konzept der Azubifirma erfolgreich und nachhaltig umzusetzen,
- … eine gemeinsame Darstellung nach Außen für die drei ÜBS aufbauen, um die Azubifirma an jedem Standort zu stärken und präsentieren zu können,
- … eine fortlaufende Evaluation der Lehr- und Lernmethoden vornehmen (Projektpartner FernUniversität in Hagen),
- … schließlich ein Verstetigungs- und Betriebsmodell entwickeln, um die Azubi-Firma nach Ablauf der Projektlaufzeit weiterführen zu können.
Innovation
In vielen ÜBS bundesweit werden die grundlegenden Fertigkeiten und Kenntnisse der industriellen Metallberufe mit tradierten Lehr- und Lernmethoden und künstlichen Aufgabenstellungen vermittelt. Das U-Stahl-Feilen steht hierfür sinnbildlich. In der Azubifirma können die Auszubildenden dagegen anhand modernster Lehrmethoden an „echter“ Wertschöpfung partizipieren, denn die in der Ausbildung angefertigten Übungsprodukte werden fortan in der Azubifirma vertrieben. So sammeln die Auszubildenden praxisnahe Erfahrungen, erhalten Einblicke in unternehmerische Prozesse und erwerben nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch Schlüsselkompetenzen wie Kreativität und Resilienz.
Um durch diesen Ansatz ein exzellentes und qualitativ hochwertiges überbetriebliches Ausbildungsangebot zu schaffen, arbeiten die Projektpartner eng zusammen. Die Ausbildungsqualität erhöht sich dabei durch die einheitliche und zugleich spezialisierte Ausbildungsstruktur: Es entsteht ein übergreifendes Netzwerk, das gegenseitige Unterstützung fördert und spezifischere Ausbildungsangebote ermöglicht, z. B. durch Entsenden des Ausbildungspersonals in andere ÜBS. So wird Spezialwissen vermittelt, das in einer einzelnen ÜBS nicht unterrichtet werden könnte.
Mehrwert
In der Azubifirma werden betriebliche Grundfunktionen praxisnah abgebildet und die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit wird gefördert. So erwerben Auszubildende ab Ausbildungsbeginn nicht nur traditionelle Fertigkeiten und Kenntnisse. Sie lernen auch in Geschäftsprozessen zu denken und zu handeln. Zudem werden ihre berufliche Handlungskompetenzen und sozialen Fähigkeiten gefördert.
Letztlich steigt die Ausbildungsqualität auch durch die Qualifizierung des ausbildenden Personals, das in der Azubifirma wieder stärker mit der betrieblichen Praxis und deren Anforderungen wie Agilität in Kontakt kommt. Sie erwerben zudem neue Kompetenzen als Lernbegleiter/-in mit dem Ziel, dass sie mit den heterogenen Gruppen in der Ausbildung besser umgehen und individueller auf die Bedürfnisse der Auszubildenden eingehen können.
Herausforderungen
Die ÜBS planen, die Azubifirma nach Projektende in Eigenregie dauerhaft fortzuführen und wirtschaftlich (nicht gewinnorientiert) zu betreiben. Da die Entgelte der Betriebe, die ihre Auszubildenden in die ÜBS schicken, zu einem großen Teil die finanzielle Basis für die Fortführung bilden werden, ist es wichtig, einen reellen Mehrwert für die Betriebe zu schaffen. Durch die schrumpfende Zahl an jungen Menschen wird zudem die Zielgruppe für die ÜBS kleiner. Dem soll der interdisziplinäre Ansatz der Azubifirma entgegenwirken, der über die industriellen Metallberufe hinausgeht und die Zielgruppe erweitert.