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Internationaler Dialog zwischen Forschung und Praxis

Kompetenzen für eine zukunftsfähige Berufsbildung

Die Teilnahme an einer internationalen Konferenz anlässlich der WorldSkills 2015 in São Paulo bot Professor Reinhold Weiß, Bundesinstitut für Berufsbildung, Gelegenheit, Diskussionen über strategische internationale Kooperationen und die Entwicklung von Kompetenzen in der beruflichen Bildung mit Fachleuten aus Bildung, Wirtschaft und Politik aus aller Welt zu führen.

Berufsbildung soll auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereiten. Wie werden sie identifiziert und wie entwickeln sie sich in Zukunft? Diese Frage treibt Berufsbildungsexpertinnen und –experten in vielen Ländern um. Forschung kann dafür wichtige Hinweise geben. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch der Dialog zwischen Forschung, Politik und Praxis.

Bei der Konferenz unter dem Motto „Skills for Sustainable Development Post-2015“ wies Professor Reinhold Weiß, Ständiger Vertreter des Präsidenten und Forschungsdirektor des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) darauf hin, dass Wissenschaft aufklären, Entwicklungen beschreiben und Ursachen identifizieren könne. Wenn es aber um die Entwicklung von Curricula und die Gestaltung von Bildungsmaßnahmen gehe, sei die Expertise von Fachleuten aus der beruflichen Praxis, das heißt von Lehrerinnen und Lehrern, Ausbildungs- und Personalverantwortlichen in den Unternehmen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten unabdingbar.     

Die Post-2015-Agenda

Die folgende Paneldiskussion widmete sich unter anderem den Trends in der beruflichen Bildung sowie innovativen Modellen und Initiativen. Sie stand ganz im Zeichen der „Post-2015-Agenda für Nachhaltige Entwicklung“, die im September 2015 beim UNO Nachhaltigkeitsgipfel der Staats- und Regierungschefs in New York verabschiedet werden soll. Der Post-2015-Agenda sollen neben den Millenniumsentwicklungszielen auch die Ergebnisse der UN-Konferenz zu Nachhaltiger Entwicklung von 2012 (Rio+20-Konferenz) zugrunde liegen. Das neue Zielsystem soll für Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer gleichermaßen gelten und alle Aspekte von nachhaltiger Entwicklung umfassen – also ihre ökologische, ökonomische und soziale Dimension.

Berufsbildung im Zeichen der Nachhaltigkeitsdebatte

Vor diesem Hintergrund diskutierten fünf Panelisten am 12.08.2015 die Frage nach der Bedeutung von Qualifikation und Entrepreneurship in der Post-2015-Agenda, nach der Beziehung zwischen Kompetenzen und SDG (Sustainable Development Goals) in der Nachhaltigkeitsstrategie der Open Working Group der UNO sowie nach den Entwicklungsstrategien und Programmen, die am erfolgversprechendsten sind, um wirtschaftliche, soziale, umweltpolitische und politische Prioritäten in der neuen Entwicklungsagenda zu fokussieren.
In die Debatte führte der Abteilungsleiter für berufliche Bildung der UNESCO, Borhene Chakroun, ein. Angesichts der weltweiten Ressourcenknappheit und der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Ländern beschrieb er die Notwendigkeit einer Wende in der Wirtschaftspolitik und der Notwendigkeit für eine nachhaltige Entwicklung. Dies müsse Leitbild auch für die Berufsbildung sein.
Im Anschluss daran diskutierten Deborah Roseveare, Leiterin aus der Abteilung „Skills beyond Schools“ von der OECD in Paris, Norbert Schöbel von der Europäischen Kommission in Brüssel und zuständig für das Programm „Skills for the Young“ und die europäische Ausbildungsallianz, Shyamal Majumdar, Direktor von UNESCO-UNEVOC Bonn, George Blankenship, Präsident der Lincoln Elektric Company Cleveland (Ohio) und Reinhold Weiß, BIBB, über die Frage nach der Bedeutung von Kompetenzen und Entrepreneurship in der Post-2015-Agenda.

Einig war man sich über eine Stärkung der Rolle der Unternehmen in der beruflichen Bildung und die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen beruflichen Schulen, Bildungseinrichtungen, Jugendorganisationen und Unternehmen sowie Wirtschaftsorganisationen. Ziel müsse es sein, die Attraktivität der beruflichen Bildung für junge Menschen zu erhöhen.

Roseveare betonte die Notwendigkeit einer Vermittlung von grundlegenden Kompetenzen für die weitere berufliche Entwicklung. Es sei erschreckend, dass der Anteil der Menschen, die ihre Muttersprache nicht oder nur sehr schlecht lesen oder schreiben können, selbst in entwickelten Ländern, nach wie vor hoch sei.

Schöbel erläuterte die Rolle der EU, etwa bei der Förderung der beruflichen Mobilität oder im Rahmen der Initiativen „Youth Guarantee“ oder „European Alliance for Apprenticeships“. Die EU könne und wolle mit diesen Initiativen die Reformen in den Mitgliedsländern begleiten und dazu beitragen, den jungen Menschen in den Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit Perspektiven zu eröffnen.

Blankenship unterstrich die wachsende Bedeutung des beruflichen Lernens in virtuellen Gemeinschaften weltweit. Notwendig sei zum einen die Flexibilität der Bildungsangebote, um rasch auf sich verändernde Bedarfe reagieren zu können. Zum anderen sei aber auch eine Standardisierung und Qualitätsentwicklung unabdingbar.

Mayumdar verwies darauf, dass in vielen Ländern das informelle Lernen eine dominierende Rolle beim Erwerb beruflicher Kompetenzen spielt. Das Lernen erfolge in der Familie, in dörflichen Gemeinschaften oder am Arbeitsplatz. Bei Reformen müsse man dem Rechnung tragen und das informelle Lernen stärker in organisierte Lernprozesse integrieren.

Abschließend unterstrich Weiß die Bedeutung des „work-based learning“ für die qualitative Weiterentwicklung der beruflichen Bildung. Zugleich machte er deutlich, dass dies mehr sein müsse als die bloße Organisation von kurzen Praxisphasen an Arbeitsplätzen. Es käme darauf an, das Lernen durch entsprechende Vorgaben zu strukturieren sowie durch qualifiziertes Ausbildungspersonal zu unterstützen. Nur da wo ein anspruchsvolles und gehaltvolles Arbeiten möglich sei, gebe es auch ein Potenzial zum Lernen.

Gespräche mit dem Partnerinstitut SENAI

Reinhold Weiß war auf Einladung des BIBB-Partnerinstituts SENAI (National Service for Industrial Training), welches auch Organisator der WorldSkills in São Paulo war, zur Konferenz gereist. Er nutzte die Gelegenheit, mit Frederico Lamego, dem Leiter für Internationale Beziehungen im SENAI und CEO der WorldSkills 2015 São Paulo und Felipe Morgado, dem Leitenden Direktor für Bildung im SENAI, über die zukünftige Kooperation zwischen BIBB und SENAI zu sprechen. Interesse besteht auf brasilianischer Seite vor allem an einer Zusammenarbeit beim Aufbau dualer Strukturen. So hat SENAI zusammen mit Unternehmen ein neues Ausbildungsmodell mit einem hohen Anteil an Praxisphasen entwickelt. Unterstützung ist konkret auch bei der Entwicklung von Berufsbildern, etwa im Bereich Druck und Medien, gewünscht.
Bei den 43. WorldSkills Weltmeisterschaften in São Paulo vom 11.-16. August 2015 nahmen Delegationen aus über 74 Ländern und Regionen weltweit teil. Über 1.200 Fachkräfte kämpften in 50 Berufsdisziplinen um den Champion-Titel. Die alle zwei Jahre stattfindende WM der Berufe fand zuletzt 2013 in Leipzig statt. In diesem Rahmen veranstaltete das BIBB ein Partnertreffen, an dem 30 Partnerinstitute aus 24 Ländern teilnahmen.