Digitalisierung in der Ausbildungspraxis
BIBB-Christiani-Ausbildertage im Zeichen von 4.0
04.10.2016
4.0 in der Umsetzung: Was sind mögliche Hebelpunkte für Ausbildungsverantwortliche? Für kleine und mittelständische Unternehmen ist es – verglichen mit Großunternehmen – ungleich schwerer, den Herausforderungen der Digitalisierung in ihrer Berufsausbildung gerecht zu werden. Während der 17. Christiani-Ausbildertage wurde insbesondere hierzu ein intensiver Dialog geführt.
Am 29. und 30.09. 2016 trafen sich in der Bildungsakademie der Handwerkskammer Singen mehr als 350 Ausbildungsverantwortliche anlässlich der 17. Christiani-Ausbildertage. Dieses Forum zum Dialog unter Fachleuten aus der Praxis findet seit mehreren Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem BIBB statt.
Ein Schwerpunkt war in diesem Jahr das Thema 4.0: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Berufsbildung aus – was müssen Ausbildungsverantwortliche tun? Wie werden betriebliche und schulische Berufsausbildung 4.0-tauglich?
Bereits in seiner Eröffnungsrede ging der stellvertretende Präsident und Forschungsdirektor des BIBB, Prof. Dr. Reinhold Weiß, auf diese Fragen ein: „Berufsbildung 4.0 erfordert ein zwischen den relevanten Akteuren abgestimmtes Gesamtkonzept. Wichtige Elemente sind die Modernisierung der Ausbildungsberufe und Fortbildungsabschlüsse, eine Verbesserung der IT-Ausstattung an Schulen und überbetrieblichen Bildungseinrichtungen, Initiativen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung an den Berufsschulen, aber auch zur Qualifizierung des betrieblichen und überbetrieblichen Bildungspersonals.“
Im Workshop“ 4.0 umgesetzt“ wurde deutlich, dass zunächst mögliche und notwendige Hebelpunkte erkannt werden müssen. Wo verändern sich die Arbeitsaufgaben der Fachkräfte? Wie kann Ausbildung dazu passend gestaltet werden? Wie können Veränderungsprozesse initiiert werden?
Erste Erkenntnis: Ausbilder und Auszubildende müssen im Dialog mit den Fachabteilungen stehen.
Erster Hebelpunkt ist nach Meinung von Thomas Koch, Benteler Group, die Identifikation notwendiger Veränderungen in der Qualifikation der Fachkräfte. Als Ausbildungsleiter sorgt er deshalb für regelmäßige Kommunikationsräume zwischen Ausbildung, Geschäftsführung, Personalleitung und Fachabteilungen. Ein Ergebnis daraus ist die Forderung nach einem möglichst umfassenden Prozess- und Systemverständnis der Fachkräfte. Im Ausbildungsalltag drängt er auf die veränderte Rolle des Ausbilders/der Ausbilderinnen als Lernbegleiter und Mentor.
Zweite Erkenntnis: Schon relativ einfache Anlagen können das prinzipielle Funktionieren automatisierter 4.0-Lösungen nachvollziehbar machen.
Das muss nicht nur im Ausbildungsbetrieb, sondern kann auch an der Berufsschule erfolgen, wie das vorgestellte Beispiel der M&M-Sortieranlage der Berufsbildenden Schule 2 aus Wolfsburg zeigte. Dass solche Anlagen auch geeignet sind, die Lernorte näher zusammen zu bringen, stellte Stefan Manemann in seinem Vortrag heraus. Gleichzeitig demonstriert das Beispiel, dass mit relativ kleinen Mitteln große Wirkungen erzielt werden können. Voraussetzungen dafür sind die Innovationsbereitschaft der Akteure und ausreichend Freiheitsgrade in der Gestaltung der Ausbildung. Manemann entwickelt z.B. für seine Auszubildenden regelmäßig Pflichtenhefte, die dann in Teams abgearbeitet werden.
Dritte Erkenntnis: Die Informationstechnik muss mitgedacht werden.
Merkmale von 4.0-Lösungen sind sogenannte Embedded Systems und Cyber Physical Systems. Damit ändern sich Prozessabläufe gravierend. Berufliches Handeln erfolgt deshalb künftig nach anderen Regeln und Routinen. Heftig diskutiert wurde, was „berufliche Grundlagen“ in Zukunft ausmacht. Gert Zinke, BIBB, forderte, dass ein die Informationstechnik einschließendes Systemverständnis, adäquate Diagnosefähigkeiten und Problemlösestrategien viel früher in die Ausbildung der Mechatroniker/innen und Elektroniker/innen gebracht werden müssten.
Am zweiten Tag stellte Andreas Schneider im Plenum vor, wie er als Ausbildungsleiter die Ausbildung in einem führenden deutschen Maschinenbauunternehmen 4.0-tauglich gemacht hat, wie er dabei gewohnte Pfade verlassen und mit Traditionen gebrochen hat. Initiatives Selbstlernen statt Grundlehrgänge, mobile Endgeräte und Lern-Apps, smarte Lernobjekte, berufsheterogene Lerngruppen und eine zu 90 Prozent dezentrale Ausbildung waren einige der Merkmale, die er nannte und die die Zuhörer zumindest teilweise polarisierte.