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„Wir müssen die Menschen mitnehmen!“

Fachtagung im BIBB konkretisiert berufliche Veränderungen durch Digitalisierung

18.11.2016

Die Digitalisierung prägt Branchen, Berufsprofile und Qualifikationsanforderungen. Wie tief gehen die Einschnitte in betriebliche Geschäfts- und Produktionsprozesse? Inwiefern ändern sich die Strukturen von Tätigkeiten und Beschäftigungen? Und wo bleibt bei alledem der Mensch? Darüber tauschten sich rund 200 Expertinnen und Experten bei der zweitägigen Fachtagung „Berufsbildung: Automatisierung — Digitalisierung — Polarisierung“ im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn aus. In Vorträgen und Workshops überwog die Meinung, die Digitalisierung biete vor allem Chancen. Auch BIBB-Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser betonte, die Herausforderungen seien zu meistern – „Wir müssen aber die Menschen mitnehmen!“

Im Zentrum des ersten Tags der Tagung standen die grundsätzlichen Fragen zum Thema sowie mögliche soziale Auswirkungen. Den Hauptvortrag hielt der Oxford-Professor Carl Benedikt Frey. Der Ökonom hatte 2013 zusammen mit dem Ingenieur Michael Osborne eine aufsehenerregende Studie über die Wahrscheinlichkeit der Robotisierung des amerikanischen Arbeitsmarkts vorgelegt. In Bonn hob Frey hervor, dass trotz befürchteter Einbrüche bei Beschäftigungen im Zeitalter der Bits und Bytes menschliche Kreativität, soziale Intelligenz und die Wahrnehmung von Objekten unersetzbar seien.

Die von Frey und Osborne geprägte „Polarisierungsthese“ besagt: Die fortschreitende Automation in kapitalistischen Gesellschaften führt nicht zu einer allgemeinen Höherqualifizierung aller Arbeitenden; vielmehr komme es zu einer Aufteilung — in einen kleineren Teil hochqualifizierter technisch-wissenschaftlich Arbeitender einerseits und in einen größeren Teil weiterhin unqualifizierter Arbeitender andererseits.

Wie Forscherinnen und Forscher des BIBB vortrugen, trifft die Polarisierungsthese in Deutschland im engeren Sinn nicht zu. Nur in einem sehr kleinen Teil der deutschen Wirtschaft, so die Ergebnisse, werden die Anteile an gering- und hochqualifizierten Beschäftigten auf Kosten beruflich qualifizierter Beschäftigter steigen. Grundsätzlich wird die Zahl von Akademikern zunehmen und die Zahl von beruflich Qualifizierten und Geringqualifizierten abnehmen. Erhöhte kognitive Anforderungen sorgen dann dafür, dass Bildung in allen Lebensabschnitten noch wichtiger wird.

 

Am zweiten Tag der Tagung boten vier parallel stattfindende Workshops ausführlich Gelegenheit, weitere Forschungsergebnisse des BIBB zur Digitalisierung näher kennenzulernen. So habe erstens die Voruntersuchung von dualen IT-Kernberufen nahegelegt: Die Inhalte der Ausbildungsordnungen sind zu aktualisieren. Und so zeige zweitens ein gemeinsam mit der Volkswagen AG durchgeführtes Projekt des BIBB: Da das erstellte Tätigkeitsprofil der Fachkraft in der automatisierten Instandhaltung keinem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht, sei zu klären, wie man hier künftig Fachkräftenachwuchs sichere.

Ein dritter Workshop informierte darüber, was ein BIBB-Forschungsprojekt zur Nutzung digi-taler Medien ergeben hat. Danach ist es möglich, mittels eines Modells Medienkompetenz von betrieblichem Ausbildungspersonal zu beschreiben. Dieses Modell soll nun dazu dienen, Weiterbildungskonzepte des Ausbildungspersonals zu entwickeln. Inwiefern sich die Digitali-sierung zumal in der Baubranche und bei kaufmännischen Berufen auswirkt, thematisierte Workshop Nummer vier.

Eine Podiumsdiskussion über Digitalisierung und Berufsbildung bildete den Schlusspunkt der Veranstaltung. Aus Sicht von Vertretern der Wissenschaft, eines großen Automobilkonzerns und eines Verbands ging es um die Konsequenzen, die aus den Wirkungen der digital geprägten Umwälzungen zu ziehen sind. Eine vertiefte IT-Schulung von Berufsschullehrkräften, eine besondere Motivierung der Mitarbeiter und Digitalkunde als Pflichtfach in Schulen — das waren nur einige der Ideen.

Eine Ausstellung mit Ausbildungs-Exponaten zum Thema Digitalisierung ergänzte die Vorträge und Diskussionen. Die Fachtagung war Teil der gemeinsamen Initiative „Fachkräftequalifikationen und Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des BIBB.