Strukturwandel im Handwerk durch Bildung meistern
Die Digitalisierung hat auch das Handwerk längst erreicht. Um den Strukturwandel zu meistern, sind Bildung und Qualifizierung nötig. Das betonte BIBB-Präsident Esser auf einer internationalen Konferenz in Brüssel.
Die Digitalisierung hat nicht nur die Industrie, sondern auch das Handwerk in Deutschland längst erreicht. Um den Strukturwandel zu meistern, sind zumal Bildung und Qualifizierung nötig. Das betonte der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser, vor einem Publikum aus politischen Entscheidungsträgern, Fachleuten und Interessierten auf einer Konferenz in Brüssel während der „Europäischen Woche der Berufsbildung“.
In seinem Vortrag in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz verband Esser seine Hinweise auf die „Schrittmacherfunktion“ großer Unternehmen und auf die „Asymmetrie im Digitalisierungsniveau“ der Betriebe mit dem Wunsch, dass das Handwerk mit der Zeit gehe und „aufschließe“. Dabei unterstützend tätig sei die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. „Die Bildungs- und Kompetenzzentren tragen die Impulse der 4.0-Technologien in die einzelnen Unternehmen“, sagte Esser. „Das führt zu innovativen Produkten und Dienstleistungen“.
Wie sehr das Bundesinstitut die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen mitgestaltet, zeigte der BIBB-Präsident anhand verschiedener Bereiche. So verwies er erstens auf die Ordnungsarbeit, will sagen auf die Berufsbilder, die nicht mit konkreten Qualifikationen beschrieben, sondern offen formuliert seien. So sei es auch bei ausbildungsstarken Berufen nur alle sechs bis acht Jahre nötig, eine Neuordnung durchzuführen. Zugleich sichere das eingespielte System der dualen Berufsausbildung, dass die Aus- und Fortbildung zeitnah auf den jüngsten Stand gebracht werde.
Esser erläuterte, wie das BIBB zweitens die dualen IT-Kernberufe Fachinformatiker/in, IT-Systemelektroniker/in, IT-System-Kaufmann/-frau und Informatikkaufmann/-frau mit Blick auf mögliche Überarbeitung der Ausbildungsordnungen untersucht habe. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Datenschutz und Datensicherheit enorm an Bedeutung gewonnen haben“, sagte Esser. Aber nicht nur Spezialkenntnisse — etwa bei der Virtualisierung von Produktionsprozessen — seien nachgewiesenermaßen relevant für Erfolg in Ausbildung und Beruf, sondern ferner Schlüsselqualifikationen wie Lernfähigkeit und Problemlösungs-Kompetenz.
Als einen dritten Bereich, in dem das BIBB die Digitalisierung fördere, stellte Präsident Esser ein gemeinsam mit der Volkswagen AG angegangenes Projekt vor, das sich auf die Spur eines „Instandhalters 4.0“ begeben habe. Was ist der Hintergrund des Projekts? „Die Fachkräfte entfernen sich immer weiter vom konkreten Produkt“, erklärte Esser. „Und sie nutzen immer mehr digitale Instrumente, um die Wertschöpfungskette zu regulieren, zu steuern und zu überwachen.“ Das führe zu einer „konzeptionellen Wende“ in der Ausbildung, bei der es in Zukunft weniger darauf ankomme, den Beruf bereichsweise kennenzulernen — und es für den Auszubildenden wichtiger werde, zunächst das Ganze zu überblicken und die eigene Rolle darin zu finden.
Die Rolle moderner Medien in diesem Prozess ist ein vierter Aspekt und Untersuchungsgegenstand des BIBB. Hier unterstrich Esser, dass moderne Medien die Eigenschaft haben könnten, Komplexität zu reduzieren, beispielsweise jene einer großen Produktionshalle. „Medien können und müssen es schaffen, eine solche Halle begreifbar zu machen. Wir brauchen starke Lernumgebungen!“ Dabei komme es gerade auf ein effizientes Lehren und Lernen an, das dem Einzelnen Bildungsvorteile verschaffe. So ermöglichten es Datenbrillen, individuell und flexibel bislang Unbekanntes zu erfassen. Und so könne ein Quiz durchaus eine didaktische Methode von morgen sein.
Wie ist die Implementierung digitaler Elemente ins Handwerk zu beschleunigen? Für den BIBB-Präsidenten, der in Brüssel auch an einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Bildung teilnahm, ist klar: „Zum einen müssen wir die Ausbilderinnen und Ausbilder mitnehmen!“ Da gehe es unter anderem um eine angemessene Entwicklung von Personal und Organisation. „Zum anderen sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Jugendlichen zwar außergewöhnlich technikaffin sind, sie jedoch noch zu wenig weitreichende IT-Kompetenzen haben“. In diesem Zusammenhang sei festzulegen, was genau die Schulen zu leisten hätten. „Darauf kann die berufliche Bildung dann aufbauen, davon kann das Handwerk profitieren“, so Esser abschließend.
Der Vortrag stand im Zentrum der Konferenz „Duale Ausbildung — dualer Nutzen“. Eingeladen dazu hatten der Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz, Dr. Volker Wissing, und die Handwerkskammern des Bundeslands.