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Entwicklung und Sicherung von Qualität als gemeinsame Zielsetzung für Modellversuche und wissenschaftliche Begleitung

von Matthias Kohl (f-bb)

Der Qualitätsbegriff hat insbesondere die Betriebswirtschaftslehre der letzten Jahrzehnte entscheidend geprägt und in der Managementliteratur und -praxis über verschiedenste Managementkonzepte, Methoden und Instrumente Eingang in die Unternehmen gefunden - Qualitätskontrolle, Qualitätszirkel, Qualitätssicherungs- und -managementsysteme, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) und Total Quality Management (TQM) sind Beispiele dafür. Dabei steht vielfach aber vor allem die betriebliche Leistungserstellung/Produktion im Mittelpunkt der Betrachtungen. Vermehrt gewinnt für Unternehmen jedoch auch die Qualität betrieblicher Berufsausbildung an Bedeutung - ist doch die hochwertige Ausbildung von Fachkräften ein zentraler Faktor für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen gegenüber ausländischen Mitbewerbern und vor dem Hintergrund einer Diskussion um zukünftige Fachkräfteengpässe nicht zuletzt auch ein Argument bei der Gewinnung von Nachwuchskräften.

In der Politik und der Berufsbildungsforschung hat das Thema "Qualität" mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2005, der Europäisierung der Berufsbildung (z. B. durch die Verabschiedung eines Europäischen Bezugsrahmens für Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EQARF)) und der Diskussion um internationale Vergleichsstudien einen neuen Aufschwung erfahren - ein verstärktes Interesse und eine breite Debatte um die tatsächliche Qualität der betrieblichen Berufsausbildung, Qualitätsdefizite und daraus resultierenden Handlungsbedarf sind die Folge. Dabei ist das Thema nicht neu, denn schließlich wird die Qualität betrieblicher Ausbildung spätestens seit dem Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes 1969 untersucht (vgl. BMBF 2011) und ist eigentlich bereits seit der Gründungsphase der deutschen dualen Berufsausbildung relevant, zielen doch alle strukturbildenden Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen etc.) grundsätzlich darauf ab, über Regelungen der Berufsausbildung auf der Systemebene (Input-)Qualität zu erreichen. Allerdings sind damit noch keine Aussagen über die Input-, Prozess-, Output- und Outcomequalität auf der Ebene der einzelbetrieblichen Umsetzung der Berufsausbildung verbunden.

Die Aktualität des Themas ist trotzdem nicht überraschend: Bereits 2005 bescheinigt Euler dem Begriff "Qualität", dass er für eine bildungspolitische Programmatik in idealer Weise geeignet erscheint, weil er positiv klingt, unpräzise und parteipolitisch nicht vorbelastet ist und somit alle Voraussetzungen für ein bildungspolitisches Schlagwort erfüllt (vgl. Euler 2005, S. 4). Positiv gewendet bedeutet dies jedoch auch, dass sich unter dem Dach des Qualitätsbegriffes alle Akteure der Berufsbildung in Deutschland mit ihren unterschiedlichen Interessen versammeln und auf die gemeinsame Zielrichtung "Qualitätsverbesserung in der Berufsausbildung" verpflichten können.
Um dieses Ziel zu erreichen, erscheinen in der Aus- und Weiterbildung vor allem induktive Entwicklungsansätze (bottom up) erfolgversprechend, die ausgehend von konkreten betrieblichen Problemsituationen und unter Partizipation der Betroffenen Lösungen entwickeln, aber auch zur Entwicklung eines systematischen und permanenten Verbesserungsprozesses und der Entwicklung eines übergeordneten Qualitätsverständnisses beitragen (vgl. Ott/Scheib 2002, S. 94f.). Dazu sind die per se auf bottom-up-Prozesse und Partizipation aller Beteiligten ausgerichteten Modellversuche als "Instrumente zur exemplarischen Entwicklung und Erprobung neuer, innovativer Lösungsansätze, die zur qualitativen Verbesserung der beruflichen Bildung beitragen und Entwicklungshilfen für eine Modernisierung bereitstellen können" (BIBB 2011) besonders geeignet. Dieser Argumentation folgend zielt der Modellversuchsförderschwerpunkt "Qualitätsentwicklung und -sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung" darauf ab, die an der Berufsausbildung beteiligten Akteure - und hier vor allem kleine und mittlere Unternehmen - dabei zu unterstützen, die Praxis der Qualitätssicherung weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Modellversuche sollen geeignete Konzepte, Verfahren und Instrumente zur Optimierung der Ausbildung sowie zur Verbesserung der Professionalität und Zusammenarbeit der für die Ausbildung verantwortlichen Akteure entwickelt und erprobt werden.

Implikationen für die Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung

Analog zur Arbeit der Modellversuche im Hinblick auf die Entwicklung und Sicherung der Qualität der betrieblichen Berufsausbildung erscheinen auch für die Arbeit der wissenschaftlichen Begleitung bottom-up-Strategien besonders erfolgversprechend, die alle Akteure einbeziehen und diesen Mitverantwortung übertragen. Dies macht einen responsiven Forschungsansatz (vgl. Sloane 2005, 2006) für die wissenschaftliche Begleitung erforderlich, der die Modellversuchsakteure als Partner im gesamten Entwicklungsprozess begreift, eine ziel- und ergebnisorientierte Arbeit der einzelnen Modellversuche kontinuierlich unterstützt, dabei Interventions- bzw. Steuerungsbedarf frühzeitig erkennt und kommuniziert und mit den Beteiligten geeignete Maßnahmen entwickelt und umsetzt.
Forschungsmethodisch ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass "Qualität" als zentrale Kategorie des Förderschwerpunkts keine absolute Größe ist, die gemessen oder objektiv beurteilt werden kann. Qualität ist vielmehr ein vielfältig gebrauchter und uneinheitlich definierter Terminus, der die Bewertung von Merkmalen und Eigenschaften eines Objekts oder Sachverhalts in Bezug auf bestimmte Anforderungen umschreibt. Damit ist aber noch nichts über die Anforderungen und Beurteilungskriterien gesagt, die je nach Blickwinkel variieren können. Dementsprechend können Erfolge der Modellversuchsarbeit und des Förderschwerpunkts kaum eindeutig quantifizierbar sein. Ungeachtet dessen sollen gemeinsam mit den Beteiligten in den Einzelvorhaben Kriterien zur Bewertung der Vorhaben entwickelt sowie Erfolgsindikatoren bestimmt und im Rahmen der Selbst- und Fremdevaluation beurteilt werden. Dies geschieht sowohl versuchsunterstützend (formativ) als auch in bilanzierender Weise (summativ).

In diesem Sinne kann die wissenschaftliche Begleitung zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Modellversuche und damit zur Entwicklung und Sicherung von Qualität im Förderschwerpunkt beitragen. Dem Qualitätsentwicklungskreislauf (Deming-Circle) mit den vier wesentlichen Prozessschritten Plan-Do-Check-Act (PDCA) folgend (vgl. Ott/Scheib 2002, S. 20), unterstützt die wissenschaftliche Begleitung die einzelnen Vorhaben im Förderschwerpunkt beobachtend, beratend und begleitend bei der Planung und Umsetzung ihrer Aktivitäten, deren formativer und summativer Evaluation und dem Transfer nach innen und außen.
Insbesondere hinsichtlich des Transfers kommt der wissenschaftlichen Begleitung dabei eine entscheidende Rolle zu: Sie unterstützt die bereits in den einzelnen Modellvorhaben verankerte Verbreitung der entwickelten Konzepte, Verfahren und Instrumente zur Optimierung der Ausbildung sowie zur Verbesserung der Professionalität und Zusammenarbeit der Akteure in die Berufsbildungspraxis. Sie kann darüber hinaus durch die inhaltliche Bündelung und Interpretation von Innovationsprozessen und -ergebnissen sowie eine breite, an Berufsbildungspraxis und -forschung sowie deutsche und europäische Bildungspolitik gerichtete Öffentlichkeitsarbeit dazu beitragen, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Förderschwerpunkt nachhaltig in die Berufsbildungslandschaft einmünden und auf diese einwirken.

Literatur:
BIBB (Hrsg.) (2011): Modellversuche. Online: https://www.bibb.de/de/739.php (06.08.2014)
BMBF (Hrsg.) (2009): Entwicklung einer Konzeption für eine Modellinitiative zur Qualitätsentwicklung und sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung (ITB-Studie). Berlin. Online: http://www.bmbf.de/pub/band_vier_berufsbildungsforschung.pdf (14.02.2011)
Euler, D. (2005): Qualitätsentwicklung in der Berufsausbildung. Bonn, St. Gallen [BLK- Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung Heft; 127]. Online: http://www.blk-bonn.de/papers/heft127.pdf (14.02.2011)
Ott, B./ Scheib, Th.: Qualitäts- und Projektmanagement in der beruflichen Bildung. Einführung und Leitfaden für die Aus- und Fortbildung. Berlin
Sloane, P. F. E. (2006): Berufsbildungsforschung. In: Arnold, R. & Lipsmeier, A. (Hrsg.): Handbuch der Berufsbildung. 2. Aufl., Wiesbaden, S. 610-627
Sloane, P. F. E. (2005): Modellversuchsforschung. In: Rauner, F. (Hrsg.): Handbuch Berufsbildungsforschung. Bielefeld, S. 658-664