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Auf dem Weg zum Qualifizierungskonzept

Anforderungen an das überbetriebliche Ausbildungspersonal im digitalen Zeitalter

Ralf Marohn

Die Digitalisierung verändert die Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz des überbetrieblichen Ausbildungspersonals. Daher hat das Projektteam von „ProMech-I“ auf Basis einer umfassenden Analyse ein Anforderungsprofil erstellt. Darauf aufbauend soll ein Qualifizierungskonzept entwickelt werden.

Inhalte des Beitrags

In einer modernen, praxisorientierten überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) sollen die Auszubildenden u. a. für eine immer komplexer werdende digitalisierte Arbeitswelt fit gemacht werden. Dafür benötigen überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) professionell handelndes Ausbildungspersonal heute und in Zukunft. Die Ausbilderinnen und Ausbilder vermitteln Auszubildenden beispielsweise, wie sie mit digitalen Medien und Technologien selbstorganisiert und effizient lernen und die Fähigkeit zur Problemlösung weiterentwickeln können.

Für die Qualifizierung des Ausbildungspersonals erarbeitet das im Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung geförderte Projekt „ProMech-I“ ein Qualifizierungskonzept. Mit diesem möchte das Projektteam den sich aus der Digitalisierung in der ÜBA ergebenden veränderten Kompetenzanforderungen an das überbetriebliche Ausbildungspersonal begegnen.

Allgemeine Anforderungen an das überbetriebliche Ausbildungspersonal

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Qualifizierungskonzepts war eine Arbeitsprozessanalyse. Das Projektteam analysierte dazu in einem ersten Schritt den Arbeitsprozess des Ausbildungspersonals anhand von Beobachtungen und Gesprächen. Aus den dabei ermittelten Aufgaben und Tätigkeiten hat das Projektteam die nachfolgend aufgeführten allgemeinen Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz der Ausbilder/-innen abgeleitet.

Das in ÜBS tätige Ausbildungspersonal muss in der Lage sein …

  • mit Ausbildungsbetrieben zu kommunizieren und ihre Unterstützungsbedarfe zu erfassen.
  • Ausbildungsrahmenpläne zu analysieren und in der Konzeption der ÜBA zu nutzen.
  • Kurse der ÜBA zu planen, zu entwickeln und zu organisieren. Dabei müssen sie fachliche, didaktische, pädagogische, zielgruppenspezifische und organisatorische Aspekte berücksichtigen.
  • Lernstände und -voraussetzungen zu erfassen, zu analysieren und die Ergebnisse bei der Individualisierung der Lernprozesse zu nutzen.
  • Lernzielkontrollen zu erstellen und Lernleistungen objektiv zu bewerten. Des Weiteren können sie die Auszubildenden auf Prüfungen zielorientiert vorbereiten und Prüfungsprozesse mitgestalten.
  • die Instrumente des Qualitätsmanagements und des Controllings für die Steuerung und Verbesserung der eigenen Arbeitsprozesse zielorientiert einzusetzen.
  • Prozesse des individuellen und gemeinschaftlichen Lernens zu gestalten und dabei die individuellen Lernvoraussetzungen zu erkennen, zu unterstützen und weiterzuentwickeln.
  • Lehr- und Lernmedien für eine effiziente Gestaltung des Lernprozesses auszuwählen, einzusetzen sowie anpassen zu können.
  • individuelle Lern- und Entwicklungsprobleme oder -benachteiligungen in der Lernbegleitung zu erkennen und damit umzugehen.

Um diese allgemeinen Anforderungen zu erfüllen, sind neben einem mindestens dem Einsatzgebiet entsprechendem Abschluss als Facharbeiter/-in oder Gesell/-in auch berufspädagogische Kompetenzen notwendig. Im Weiterbildungsprofil des IHK-Fortbildungsabschlusses „Geprüfte/-r Aus- und Weiterbildungspädagoge/-in“ werden Tätigkeiten und Anforderungen von Personen beschrieben, die in betrieblichen Aus- und Weiterbildungsprozessen tätig sind. Diese entsprechen in großen Teilen denen der Menschen, die in der ÜBA tätig sind, und können daher als ideale Zieldimension angesehen werden. Des Weiteren ist ein ausgeprägtes Berufsverständnis von hoher Bedeutung. Dabei sind u. a. Engagement, Motivation und Veränderungsbereitschaft wichtig.

In der folgenden Grafik werden die allgemeinen Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz des überbetrieblichen Ausbildungspersonals in den drei Kategorien „personale Kompetenz“, „berufspädagogische Kompetenz“ und „fachspezifische Kompetenz“ zusammengefasst dargestellt.

Digitalisierungsbedingte Anforderungen an das Ausbildungspersonal

Abbildung 1: Allgemeine Anforderungen an das ÜBS-Ausbildungspersonal

In einem zweiten Schritt überprüfte das Projektteam, welche Auswirkungen die voranschreitende Digitalisierung auf die Anforderungen an die Ausbilder/-innen in der ÜBA hat. Dabei untersuchten die Projektmitarbeiter/-innen folgende inhaltliche Aspekte:

  • Veränderungen in den Ausbildungsordnungen
  • technologische Veränderungen in den berufsspezifischen Arbeitsprozessen
  • Möglichkeiten der lernzielorientierten Nutzung digitaler Technologien in der ÜBA

Die Erhebung erfolgte über eine Dokumentenanalyse, über Betriebserkundungen in Ausbildungsbetrieben, strukturierte Einzelinterviews, Mitarbeitergespräche und -befragungen und Gruppendiskussionen. Außerdem befragte das Projektteam Kund/-innen zu ihrer Zufriedenheit mit den Angeboten der ÜBA. Die Ergebnisse der Erhebungen machen deutlich, dass sich Veränderungen bei den fachspezifischen und berufspädagogischen Kompetenzen vollziehen. Auslöser sind einerseits die veränderten Kompetenzanforderungen an die Auszubildenden, wodurch Ausbildende neue Inhalte und Fähigkeiten vermitteln müssen. Andererseits erweitern sich die Gestaltungsspielräume von Lehr- und Lernprozessen durch den Einsatz digitaler Technologien und Medien, für die Ausbildende sensibilisiert werden müssen. Auch Veränderungen in den Ausbildungsordnungen führen dazu, dass Ausbildende ÜBA-Angebote inhaltlich anpassen müssen. Um betriebliche Arbeitsprozesse adäquat und zeitgemäß abzubilden, sind Ausbilder/-innen schließlich gefordert, die ÜBA mit den digitalen Technologien anzureichern, die in den Betrieben verwendet werden.

All das hat Konsequenzen für die Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz des überbetrieblichen Bildungspersonals: Von Ausbilder/-innen wird gefordert, dass sie bereit und fähig sind, die ÜBA vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung didaktisch-methodisch zielorientiert und adressatengerecht zu gestalten. Das wiederum bedeutet, dass Ausbilder/-innen bereit und in der Lage sein müssen …

  • Chancen und Herausforderungen aus der digitalen Transformation für die eigene berufliche Laufbahn zu erkennen, zu beurteilen und resultierend daraus individuelle berufliche Ziele festzulegen.
  • ihr domänenspezifisches Fachwissen und -können in Bezug auf digitaler werdende Arbeitsprozesse aus eigenem Antrieb weiterzuentwickeln.
  • Ausbildungsprozesse zielorientiert und adressatengerecht unter Verwendung digitaler Technologien zu gestalten, zu beurteilen und zu optimieren.
  • die digitalen Kompetenzen der Auszubildenden zielgerichtet und strukturiert unter Nutzung medienpädagogischer Handlungsansätze zu entwickeln.
  • sich mit verändernden Wertevorstellungen der Auszubildenden und daraus ergebenden Spannungen und Konflikten auseinanderzusetzen und mit diesem im Arbeitsalltag umzugehen.

Damit das Ausbildungspersonal diesen veränderten Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz begegnen kann, müssen Fachkompetenzen (domänenspezifische und berufspädagogische Fachkompetenz) und personale Kompetenz (Selbst- und Sozialkompetenz) weitentwickelt werden.

Weiterentwicklung der beruflichen Handlungskompetenz des Ausbildungspersonals

Für das Qualifizierungskonzept zur individuellen Förderung der Ausbilder/-innen erarbeitet das Projektteam aktuell ein Anforderungsprofil  zur Darstellung der personalen, berufspädagogischen und fachspezifischen Kompetenzen. In ihr werden die Anforderungen und der Professionalisierungsgrad strukturiert beschrieben. Dieser Ansatz basiert auf dem europäischen Rahmen für Digitale Kompetenz Lehrender (DigiCompEdu). Das Modell wurde auf die Anforderungen im projektdurchführenden saz – Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum e.V. angepasst.

a) personale Kompetenz

Im Bereich der personalen Kompetenz geht es um die Entwicklung eines gemeinsamen digitalen Mindset und die Weiterentwicklung der beruflichen und betrieblichen Identität des Ausbildungspersonals (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Anforderungen an die personale Kompetenz

In diesem Zusammenhang müssen u. a. folgende Eigenschaften (exemplarisch) weiterentwickelt werden:

  • Engagement
    Selbst-, Fach- und Aufgabenverständnis bei der Ausbildungstätigkeit verändert sich durch den Einsatz digitaler Technologien in Lehr- und Lernprozessen. Das Ausbildungspersonal benötigt in diesem Zusammenhang u. a. eine ausgeprägte Veränderungsbereitschaft, Flexibilität und die Fähigkeit zur Selbstreflexion.
  • Rollenverständnis
    Der Leitgedanke des Ausbildungspersonals im digitalen Kontext muss sein, Lernprozesse mit digitalen Technologien gemeinsam mit den Auszubildenden zu gestalten, zu strukturieren, diese systematisch zu begleiten und zu reflektieren. Lernmotivation, Kommunikation auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt sind hierbei u. a. Erfolgsfaktoren.
  • Weiterbildungsbereitschaft
    Das Ausbildungspersonal muss die Auswirkungen der Digitalisierung auf domänenspezifische Prozesse und den eigenen Qualifizierungsbedarf eigenständig erkennen. Daraus resultierend muss es bereit und in der Lage sein, die eigene berufliche Handlungskompetenz weiterzuentwickeln. Es bedarf also einer grundsätzlichen Weiterbildungsbereitschaft und Selbstlernkompetenz.

b) fachspezifische Kompetenz

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine kundenorientierte ÜBA ist fach- und berufspädagogisch kompetent handelndes Ausbildungspersonal. 

Bei der fachspezifischen Kompetenz geht es darum, dass die Ausbilder/-innen die Veränderungen durch die voranschreitende Digitalisierung in den Arbeitsprozessen der Wirtschaft wahrnehmen. Wie in der nachfolgenden Grafik dargestellt, können die Inhalte in eine Basisqualifikation und eine fachspezifische Qualifikation unterschieden werden (vgl. Abb. 3).

Abbildung 3: Anforderungen an die fachspezifische Kompetenz

Bei der Basisqualifikation handelt es sich um Wissen und entsprechendes Know-how zu Themen der digitalen technischen Kommunikation, des Datenschutzes und der IT-Sicherheit in digitalen Arbeitsprozessen und der interdisziplinären Zusammenarbeit. Natürlich spielen auch Themen wie agile Unternehmenskultur, Projektmanagement oder vernetztes Denken eine Rolle.

Bei der fachspezifischen Qualifikation geht es darum, die veränderten Arbeitsinhalte, -strukturen, -prozesse und -mittel in der Facharbeit zu kennen. Dieses ist notwendig, da die digitale Transformation in den Unternehmen zum Gegenstand beruflicher Bildungsprozesse in der ÜBA wird.

c) berufspädagogische Kompetenzen

Um fachspezifische Ausbildungsinhalte adressatengerecht vermitteln zu können, benötigt das Ausbildungspersonal berufspädagogische Kompetenzen. Diese müssen so weiterentwickelt werden, dass durch den gezielten Einsatz von digitalen Technologien Lehr-/Lernprozesse gestaltet werden können (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Anforderungen an die berufspädagogische Kompetenz

Aus den Qualifizierungsinhalten lassen sich die veränderten Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz des Ausbildungspersonals wie folgt ableiten:

  • Medienpädagogische Kompetenzen
    Digitale Technologien für überbetriebliche Ausbildungsprozesse zielorientiert auszuwählen, anzupassen und einzubinden, ist eine grundlegende Anforderung an professionell agierendes Ausbildungspersonal. In diesem Zusammenhang spielt die Einstellung der Personen zu digitalen Medien eine entscheidende Rolle.
  • Lernprozessbegleitung unter Verwendung digitaler Technologien
    Die Aufgabe des Ausbildungspersonals in der ÜBA ist es, das Lernen zu initiieren, zu strukturieren und zu begleiten. Hier bedarf es veränderter didaktischer Ansätze, bei denen ausbildungsorientierte Lern- und Arbeitsaufgaben im Mittelpunkt stehen.      
  • Entwicklung digitaler Kompetenzen bei den Auszubildenden
    Neben der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten zu digitalen Technologien müssen die Ausbilder/-innen bei den Auszubildenden die Fähigkeit entwickeln, selbstständig Veränderungen im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel in der Lern- und Arbeitswelt bewerten und reflektieren zu können.

In der Bedarfsermittlung wurde deutlich, dass die berufspädagogische Handlungskompetenz des Ausbildungspersonals sehr unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Um eine individuelle Förderung der Kompetenzen zu erreichen, wurde eine Matrix mit folgenden drei Professionalisierungsgraden definiert:

  • Profis
    Hierbei handelt es sich um Personen, die Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen und diese bewusst, zielorientiert, sachgerecht und selbständig im Arbeitsalltag einsetzen. 
  • Expert/-innen
    Hierbei handelt es sich um Personen, die umfangreiches Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und umfangreiche Erfahrungen besitzen. Sie handeln kreativ, reflektiert und suchen den Austausch mit anderen Ausbildenden.
  • Innovator/-innen
    Hierbei handelt es sich um Expertinnen und Experten, die ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten dazu einsetzen neue berufspädagogische Ansätze für die ÜBA zu entwickeln, zu erproben und zu implementieren. Sie sind Vorbild und Ansprechpartner/-in für andere Ausbildende.

Die Matrix dient im weiteren Verlauf dazu, unter Beachtung des vorhandenen Professionalisierungsgrades der Ausbilder/-innen individualisierte Qualifizierungskonzepte zu erarbeiten.

Vor dem Hintergrund der Veränderungsprozesse in der ÜBA sind eine steigende Komplexität der Tätigkeiten und daraus resultierend veränderte Anforderungen an das Ausbildungspersonal zu erkennen. Diese lassen sich u. a. an der Individualisierung der Lernprozesse und der Integration von digitalen Technologien in Lehr- und Lernprozesse festmachen. Hierzu benötigen Ausbildende neben dem entsprechenden beruflichen Selbstverständnis auch berufspädagogische Professionalität. Beides ist wichtig und muss auf dem aktuellen Stand sein. Dieses erfordert von den ÜBS ein strategisches Weiterbildungsmanagement für ihr Ausbildungspersonal in den ÜBS.

Auf Basis der Ergebnisse aus der Projektarbeit hat das Team von „ProMech-I“ ein modularisiertes, individuell angepasstes Qualifizierungskonzept entwickelt, das derzeit erprobt wird.