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Überbetriebliches Ausbildungspersonal digital qualifizieren

Schulungsformat „Digitale Stunde“

Michael Wieczorek

Seit Ende 2020 gibt es in den sechs Standorten des Bau Bildung Sachsen e. V. und des Bau Bildung Sachsen-Anhalt e. V. die „Digitale Stunde“ als Schulungsformat für Ausbildende. Darin lernen die Ausbildenden digitale Technologien in der Ausbildung einzusetzen.

Tablets, Touchscreen-Tafeln, digitale Gebäudemodelle, moderne Vermessungstechnik – immer mehr digitale Ausstattungsgegenstände und Softwarelösungen kommen in den überbetrieblichen Ausbildungszentren (ÜAZ) des Bau Bildung Sachsen e. V. (BBSN) und des Bau Bildung Sachsen-Anhalt e. V. (BBST) bei der Ausbildung von Maurer/-innen, Straßenbauer/-innen und anderen Bauberufen zum Einsatz. Grundlage dafür bietet unter anderem das im Projekt „BIM-basierte Bauausbildung“ (B³AUS) entwickelte Anwendungskonzept, mit dem die Methode des Building Information Modeling (BIM) niedrigschwellig bereits in der Berufsausbildung eingeführt wird. Wichtig hierfür ist der Einsatz digitaler Bauteilmodelle, die als Zwilling eines echten Bauteils, wie beispielsweise einer Mauer, mit verschiedenen digitalen Endgeräten verwendet werden.  

Teil des Konzepts ist auch die Schulung des Ausbildungspersonals. Um BIM erfolgreich in die Ausbildung zu integrieren, müssen Ausbildende lernen, die damit verbundenen digitalen Technologien anzuwenden und umfassend in der Ausbildungshalle einzusetzen. Darüber hinaus werden zunehmend mehr digitale Ausstattungsgegenstände und Softwarelösungen in den Bauberufen relevant. Eine erste Schulung erfolgt oftmals zunächst über die entsprechenden Hersteller bzw. deren Vertriebspartner, die die Ausbildenden grundlegend in die jeweiligen Geräte oder Softwarelösungen einweisen. Doch diese Schulung ist in der Regel nicht ausreichend für einen umfassenden Einsatz der neuen Technologien in der überbetrieblichen Ausbildung.

Vier Männer in Arbeitskleidung stehen in einem Schulungsraum und erproben ein neues Gerät.
Einweisung von Ausbildern des ÜAZ Holleben in die Anwendung einer Robotik-Totalstation

„Digitale Stunde“ startet als neues Schulungsformat

Um dem Qualifizierungsbedarf des Ausbildungspersonals zu begegnen, führten die sechs Standorte des BBSN und BBST Ende 2020 die „Digitale Stunde“ als neues Schulungsformat für ihre ca. 50 Ausbildenden ein. Die „Digitale Stunde“ findet seither jeden Donnerstagnachmittag zeitgleich in den überbetrieblichen Ausbildungszentren Bautzen, Dresden, Glauchau, Leipzig, Holleben und Magdeburg in der regulären Arbeitszeit statt. Die Teilnahme ist obligatorisch. Auszubildende müssen in dieser Zeit nicht betreut werden.

Im Vordergrund der ersten „Digitalen Stunden“ stand der selbständige Einsatz digitaler Bauwerksmodelle in der Ausbildung und das sichere Anwenden notwendiger Hard- und Software im Ausbildungsalltag. Gestartet wurde mit einer zentralen Anleitung für alle Ausbildenden vom Standort Dresden aus. Sven Böttcher, Verbundkoordinator im B³AUS-Projekt, lud die Ausbildenden dazu ein, Touchscreen-Tafeln, Desktop-PC, Tablets und Ladewagen zu erkunden, zu bedienen und deren Zusammenwirken kennenzulernen, um die Auszubildenden bei der Nutzung der Technik ganzheitlich begleiten zu können. Anschließend wurden die Ausbildenden befähigt, die Anwendungssoftware „Trimble Connect“ einzusetzen, mit der sie handlungsorientierte und modellbasierte Arbeitsaufgaben inszenieren können. „Die Ausbilder nutzen die Projektstruktur der Software für die Dokumentenbereitstellung, heben gewerkspezifische Modelle wie ein Stück Gehwegpflaster, eine tragende Wand oder eine Betonstütze farblich hervor und erstellen nach didaktischen Grundüberlegungen Ansichten des Modells, um den Auszubildenden Arbeitssituationen oder Kundenaufträge zu veranschaulichen“, erläutert Sven Böttcher.

Oben: Grafische Darstellung einer Bebauung mit Straßen und Häusern; unten: grafische Darstellung von Bauteilen zum Hausbau
Beispielansichten digitaler Gebäudemodelle bzw. Bauteile

Digital qualifiziert in 60 Minuten pro Woche

Die „Digitale Stunde“ fand ein Jahr lang als zentral durchgeführtes Schulungsprogramm statt. Sven Böttcher koordinierte die Termine und Inhalte des zuvor festgelegten Schulungsplanes mit den Verantwortlichen der Bereiche Ausbildung an den jeweiligen Standorten. Alle zwei Wochen wurde die „Digitale Stunde“ als Live-Stream über eine Videokonferenzplattform von der Geschäftsstelle Dresden aus zentral umgesetzt. Die Ausbildenden schalteten sich von ihrem jeweiligen Standort aus via Internet zu. In der dazwischenliegenden Woche konnten die Ausbildenden das Erlernte in einer freien „Digitalen Stunde“ an ihrem Standort wiederholen, üben und festigen. Die Schulungsstunden wurden aufgezeichnet. Mitarbeitende, die urlaubs- oder krankheitsbedingt nicht live dabei waren, haben so die Möglichkeit, die Schulung zu einem späteren Zeitpunkt aus einer Cloud abzurufen. Neues Ausbildungspersonal kann die Schulungsinhalte zur Einarbeitung nutzen.

Ende 2021 wurde das Schulungsprogramm abgeschlossen. Dazu stellten sich die Fachausbildenden gegenseitig gewerkespezifische Aufgaben vor, die sie mit der Trimble-Software erstellt hatten, und deren Anwendung in der Ausbildungshalle sie beispielhaft präsentierten. „Es war ungewohnt, mit der neuen Software live und online vor den anderen Fachausbildern eine Aufgabe zu präsentieren. Letztlich hat es aber gut geklappt. Die Rückmeldungen der Kollegen waren positiv“, weiß Eckhard Strobel, Straßenbauausbilder aus dem ÜAZ Glauchau rückblickend zu berichten.

Der Mann links im Bild erklärt seinem Kollegen rechts im Bild an einem großen Monitor ein Gebäudemodell.
Ausbilder des ÜAZ Dresden erkunden Gebäudemodelle für den Tiefbau während einer Digitalen Stunde.

Verstetigung der „Digitalen Stunde“

Seit Januar 2022 führen die einzelnen Standorte die „Digitale Stunde“ in Eigenverantwortung fort, wobei ihnen eine zentrale Ansprechperson für die Nutzung der Gebäudemodelle weiter zur Verfügung steht. Die Themenfindung ist dabei verschieden. Teils haben die Ausbildenden standortbezogene Themen, die sie gemeinsam besprechen, teils sind es gewerkespezifische Themen, die sie standortübergreifend abstimmen. Auch die Standortleitung oder die Bereichsleitung Ausbildung gibt Themen vor. Ein Thema ist zum Beispiel die Verwaltung von Endgeräten wie Tablets. Dabei wird besprochen, wie und wo Tablets geladen und geupdated werden, ohne dass es zu einer zeitraubenden Aufgabe für die Ausbildenden wird. Auch die Frage, welche Zugriffsrechte den Auszubildenden eingeräumt werden, kann Thema sein.

Darüber hinaus können Ausbildende die „Digitale Stunde“ nutzen, um Erfahrungen zu teilen oder Neuigkeiten von Schulungen oder Messen vorzustellen. So bietet sich in den 60 Minuten zum Beispiel eine gute Gelegenheit, um über eine neue App oder ein digitales Zeichenprogramm zur Verbesserung der Schulungsunterlagen zu informieren oder auf eine Projektwebsite wie die des kürzlich abgeschlossenen Vorhabens Digitales Bauberufliches Lernen und Arbeiten hinzuweisen. Schritt für Schritt werden so nicht nur die unterschiedlichen digitalen Ausstattungsgegenstände der Standorte erschlossen und möglichst umfassend zum Einsatz gebracht, sondern auch ein Wissenstransfer organisiert – und das an allen Standorten in einer sehr ähnlichen Art und Weise.

„Digitale Stunde“ ermöglicht standortübergreifenden Austausch

Ursprung der Idee, eine „Digitale Stunde“ an den Standorten des BBSN und BBST einzuführen, war die Einladung des Teams vom JOBSTARTER plus-Projekt „DigiBau – Digitalisierung in der Baubranche“ zu einem Erfahrungsaustausch im Aus- und Fortbildungszentrum Erfurt des Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen e. V. Anfang 2020. Dort wurde eine Art der „Digitalen Stunde“ standortbezogen bereits erprobt. Eine zusätzliche Herausforderung für die Einführung an den Standorten des BBSN und BBST war es, diese Stunde für die sechs ÜAZ zeitgleich und regelmäßig wöchentlich anzubieten.

Einmal gelöst zeigen sich bis heute die erhofften Vorteile. Die Gleichzeitigkeit der wöchentlichen Weiterbildung macht es möglich, dass sich Fachausbildende der verschiedenen Standorte strukturiert zu Themen ihres jeweiligen Gewerks austauschen können. Erstmals haben z. B. die Straßenbauausbilder/-innen der beiden Bundesländer während der Arbeitszeit die Möglichkeit, sich zum Einsatz neuer Vermessungstechnik ausführlich abzustimmen. Der Austausch und das fachliche Feedback lösen nicht nur Probleme einzelner Ausbildender, sondern schaffen auch ein gemeinsames, standortübergreifendes Qualitätsverständnis bei der Vermittlung von Lerninhalten.

Aber es braucht Zeit: 60 Minuten pro Woche sind letztlich nicht viel, um die zahlreichen, wenn auch spezifischen Themen der Digitalisierung in der Bauausbildung bis ins Detail zu durchdringen. Und die Skepsis gegenüber den mit der zunehmenden Digitalisierung herbeigeführten Veränderungen lässt sich auch nicht bei jedem Ausbildenden ausräumen. Eine verbindliche Regelmäßigkeit und der geschaffene (Zeit)Raum tragen aber dazu bei, dass sich alle Ausbildenden mit dieser Thematik auseinandersetzen und bestenfalls den Mehrwert für die Ausbildungsunternehmen, die Auszubildenden und für die eigene Arbeit nach und nach erkennen.