Drei Fragen an... Melanie Schütt, Projektleiterin „Digi-BacK“
Mehr Zeit fürs Handwerk durch digitalen Technologien – diesen Ansatz verfolgt das Projekt „Digi-BacK“ des Berufsbildungszentrums der Handwerkskammer Erfurt. Im Interview erklärt Melanie Schütt, wie sich Tradition und Moderne verbinden lassen und was uns in der Bäckerei der Zukunft erwartet.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Das Bäcker- und Konditorenhandwerk ist sehr traditionsreich. Wie reagieren Betriebe, Ausbildende und Auszubildende auf den digitalen Wandel?
Melanie Schütt: Die Auszubildenden sind meist sehr neugierig, die Betriebe sind anfangs oft skeptisch. Die Bäcker/-innen, Konditor/-innen und Fachverkäufer/-innen sind stolz auf ihren Beruf und betonen das. Sie sagen: „Handwerk bleibt Handwerk“. Oft nehmen sie daher anfangs eine ablehnende Haltung gegenüber digitalen Entwicklungen ein. Sie empfinden diese als konträr gegenüber dem Handwerk.
Das dem nicht so ist, betonen wir mit unserem Projekt: Mit digitalen Technologien können Betriebe mehr Zeit für das Handwerk schaffen. Diesen Mehrwert zeigen wir ihnen anhand praktischer Beispiele auf. Zum Beispiel lassen wir sie mit einem 3D-Drucker eine Silikonform für ein individuelles Osterbrot drucken. Wenn die Betriebe die neuen Technologien dann ausprobieren, sind sie häufig begeistert und sehr interessiert. Durch die neuen Technologien werden sie außerdem dazu angeregt, kreativ zu werden und ihre Ideen auf diese Technologien zu adaptieren und neue Produkte zu schaffen.
Mit digitalen Technologien können Betriebe mehr Zeit für das Handwerk schaffen.
Wir möchten die Bäckereien und Konditoreien außerdem motivieren, neue Märkte zu erschließen. Viele Betriebe probieren bereits neue trendbasierte Marktstrategien aus. Sie haben gemerkt, dass sie neue Wege finden müssen, um ihre Kundschaft zu erreichen oder um neue Kundschaft zu gewinnen. Gerade zu Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, online präsent zu sein, zum Beispiel im Bereich Social Media. Es gibt verschiedene Strategien, die Betriebe wahrnehmen und die für mich zum digitalen Wandel dazugehören. Es muss nicht immer die neuste Technik sein.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Ihr Projekt ist sehr aktiv auf Instagram. Welchen Mehrwert erhoffen Sie sich von Ihrem Engagement in den sozialen Medien?
Melanie Schütt: Wir möchten mit Social Media unsere Reichweite erhöhen und mehr Aufmerksamkeit für das Projekt bekommen, auch über Landesgrenzen hinaus. Dabei haben wir uns für Instagram entschieden, weil wir viel mit Bildern arbeiten und weil Facebook bei unserer Zielgruppe out ist. Durch Instagram konnten wir ein großes Netzwerk aufbauen, uns Ideen holen und austauschen. Für uns hat es bereits viel gebracht.
Der Instagram-Account spielt zudem eine wichtige Rolle in der Ausbildung der Fachverkäufer/-innen, denn die Fachverkäufer/-innen sollen ihn bespielen. Sie sollen zukünftigen Auszubildenden live zeigen, wie ihr Berufsbild aussieht. Über die Auszubildenden soll auch den Betrieben Social Media nahegebracht werden. Die Auszubildenden tragen ihr Know-how in die Betriebe und können Social Media zur Neugewinnung und Bindung von Kundinnen und Kunden einsetzen. Wir hoffen, dass Betriebe das übernehmen und ihre Auszubildenden vielleicht damit betrauen, einen Social-Media-Account einzurichten und zu pflegen. So lernen die Auszubildenden von den Bäckermeister/-innen und die Bäckermeister/-innen von den Auszubildenden.
Mit dem Instagram-Account wollen wir außerdem interessierten Personen, aber auch den auszubildenden Betrieben die Möglichkeit geben, uns zu begleiten – bei unseren Erprobungen, bei der Evaluation, bei der Entwicklung der VR-Anwendung, bei unserer Fachtagung. Sie sollen miterleben, wie dieses Projekt entsteht und wie es sich entwickelt.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Die Praline aus dem 3D-Drucker ist ein typisches Beispiel für die Bäckerei von Morgen. Wie wird sich das Einkaufserlebnis für die Kundschaft in Zukunft sonst noch verändern?
Melanie Schütt: Das ist eine spannende Frage. Ich vermute, dass wir zur Erlebnis-Bäckerei bzw. Erlebnis-Konditorei übergehen, bei der die Kundin oder der Kunde viel stärker in die Entstehungsprozesse integriert und dazu aufgefordert wird, mitzubestimmen. Kundinnen und Kunden werden die Form ihres Brotes oder ihrer Torte, die Zutaten und deren Herkunft selbst auswählen können. In Punkto Kreativität gibt es keine Grenzen. Innovative Techniken wie der 3D-Druck können hierbei helfen.
Die Kundin oder der Kunde wird viel stärker in Entstehungsprozesse integriert und aufgefordert, mitzubestimmen.
Auch die Entstehungsprozesse der Produkte werden wir zukünftig live in der Bäckerei mitverfolgen können und zum Beispiel sehen, wie das Brot gebacken wird. Nachhaltigkeit und Ökologie sind weitere wichtige Themen, aber auch Lieferdienst-Angebote und Baukastensysteme werden zunehmen. Kunden und Kundinnen erhalten beispielsweise die Zutaten für ihr Brot nach Hause geliefert und können es anhand einer Videoanleitung selbst backen. Das heißt nicht, dass das Handwerk verloren geht. Vielmehr wird es Zusatzangebote geben, um die Kundschaft zu beteiligen.
Ein weiterer Trend geht dahin, dass Bäckereien und Konditoreien immer mehr Snacks anbieten. Die Bäckerei ist dann nicht mehr nur eine reine Bäckerei, sondern auch Café oder Imbiss. Und schließlich werden Systeme zum kontaktlosen Einkaufen und Bezahlen zunehmen.