Drei Fragen an... Petra Marpe, Projektleiterin, und Rebekka Lieb, Ausbilderin, im Projekt „FortUnA“
Im Projekt „FortUnA“ wird eine Virtual-Reality-Lernanwendung entwickelt, um kollaborative Arbeitsprozesse zwischen den Gewerken zu fördern. Wie das funktioniert und welche Rolle ProjectLabs dabei spielen, erklären Petra Marpe und Rebekka Lieb im Interview.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit dem Projekt „FortUnA“ streben Sie an, digitale Technologien und Kommunikationsmittel in zehn Bauberufe zu integrieren. Welche Technologien sind hierbei maßgeblich und welche Kompetenzanforderungen ergeben sich daraus für die Auszubildenden?
Petra Marpe: In unserem Projekt kommen Virtual Reality (VR) und die neusten Geräte, wie 3D-Scanner, Laserscanner oder Drohnen, zum Einsatz. Damit müssen sich die Auszubildenden auseinandersetzen und den Umgang damit lernen. Es erfordert zum Beispiel gewisse technische Kompetenzen, die Drohne zu fliegen und mit ihr ein Aufmaß zu machen. Auch Anwendungswissen, also welche Technik wofür einzusetzen ist, muss erworben werden. Dazu erhalten die Auszubildenden in der überbetrieblichen Ausbildung Aufgabenstellungen, bei denen sie selbstständig entscheiden, ob sie den Laserdistanzmesser oder den 3D-Scanner nutzen.
Rebekka Lieb: Die VR-Lernanwendung verändert die Ausbildung maßgeblich. Durch sie wird erstmals die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken möglich und in der Ausbildung abbildbar. Wir können damit die Schnittstellen in den Fokus rücken und so das Prozessverständnis der Auszubildenden stärken.
Die VR-Lernanwendung verändert die Ausbildung maßgeblich. Durch sie wird erstmals die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken möglich und in der Ausbildung abbildbar.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Sie haben die Zusammenarbeit an den Gewerkeschnittstellen gerade angesprochen. Wie genau werden kollaborative Arbeitsprozesse mit der VR-Lernanwendung gefördert?
Petra Marpe: Um kollaborative Arbeitsprozesse zu fördern, arbeiten in der VR Auszubildende verschiedener Gewerke zusammen an einem Projekt: Sie sollen gemeinsam ein Dachgeschoss ausbauen. Auf der virtuellen Baustelle kommen die Auszubildenden der drei Projektstandorte Kassel, Bühl und Osnabrück zu Baustellenbesprechungen zusammen, in denen sie die nächsten Arbeitsschritte festlegen und sich abstimmen. Dabei geht es darum, die Aufgaben der anderen bei der Ausführung der eigenen Tätigkeiten einzubeziehen: Wenn ich also eine Wand bauen soll, in der noch ein Abflussrohr verlegt werden muss, dann muss ich die Wandstärke entsprechend anpassen. Ihre gewerkespezifischen Aufgaben setzen die Auszubildenden dann im ProjectLab um.
Rebekka Lieb: Im ProjectLab sind alle Technologien verankert und stehen den Auszubildenden frei zur Verfügung. Die Auszubildenden können dort die auf der virtuellen Lehrbaustelle gestellten Aufgaben, aber auch eigenständige Arbeiten ausführen. Neben dem Zugang zur VR werden im ProjectLab auch diverse Kommunikationsmedien zur Verfügung gestellt. Auszubildende können beispielsweise eigene kleine Mediensequenzen erstellen.
Petra Marpe: Haben die Auszubildenden ihre Tätigkeit im ProjectLab erledigt, wird dies auch auf der virtuellen Baustelle sichtbar: Wenn die Auszubildenden zum Beispiel die Gaube hergestellt haben, sehen sie im nächsten Lernszenario in der virtuellen Welt die im Dachstuhl eingebaute Gaube und welche Auswirkungen das auf die Arbeiten der anderen Auszubildenden hat. Diese permanente Verbindung von Realität und virtueller Welt hilft die Schnittstellenproblematik viel besser zu betrachten.
Die permanente Verbindung von Realität und virtueller Welt hilft den Auszubildenden Schnittstellenproblematiken besser zu verstehen.
Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Welchen Mehrwert versprechen Sie sich von der VR-Lernanwendung für die überbetriebliche Ausbildung und wie qualifizieren Sie die Ausbildenden dazu, sie zu nutzen?
Rebekka Lieb: Der größte Mehrwert für die Ausbildung ist, dass die Auszubildenden sich mit Auszubildenden anderer Gewerke austauschen können. Dadurch erfolgt eine Sensibilisierung, die wir in Teilen fachlich nur bedingt leisten können. In der VR können sich die Auszubildenden gegenseitig darüber informieren, was für die anderen wichtig ist und was die Hintergründe ihres Handelns sind. So lernen sie voneinander. Durch diese Vorgehensweise zeigen wir die Schnittstellen auf und stärken das Prozessverständnis. Die VR-Anwendung macht den großen Zusammenhang erkenntlich und nachvollziehbar.
Petra Marpe: Damit die VR-Lernanwendung auch gewinnbringend in der überbetrieblichen Ausbildung eingesetzt werden kann, ist der Ausbildungsleiter im Projekt „FortUnA“ eingebunden. Er prüft, ob unsere Ideen sinnvoll in der Ausbildung einsetzbar sind, sodass wir nicht an der Ausbildung vorbei entwickeln. Darüber hinaus sind unsere Ausbildenden generell sehr neugierig, technisch interessiert und schauen immer wieder bei uns vorbei. Gleichzeitig holen wir uns ihre Meinung ein. Wir sind also im ständigen Austausch. Nur so kann es aus meiner Sicht gelingen, dass die neuen Technologien und die VR-Anwendung bei den Ausbildenden Akzeptanz finden. Unsere Verbundpartner machen das ähnlich und haben auch Ausbildende ins Projektteam integriert. Sobald die Programmierung der VR-Anwendung einen entsprechenden Stand erreicht hat, wird es eine Schulung für die Ausbilder/-innen geben, in dem sie lernen, die VR und das ProjectLab zu nutzen.