BP:

Schlagworte A-Z. Bitte wählen Sie einen Anfangsbuchstaben:

 

Mit „Design Thinking“ die überbetriebliche Ausbildung von Morgen gestalten

Erfolgsfaktor 4 für eine bedarfsorientierte überbetriebliche Ausbildung

Ralf Marohn

Die digitale Transformation in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) zu gestalten, ist eine komplexe Aufgabe, die eine innovative Herangehensweise erfordert. Das Projektteam von „ProMech-I“ hat sich in diesem Zusammenhang für den methodischen Ansatz des „Design Thinking“ entschieden.

Im Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung haben alle Entwicklungs- und Erprobungsprojekte die zentrale Aufgabe, innovative Ansätze zur Integration digitaler Technologien in die ÜBA zu entwickeln und erfolgversprechende Ergebnisse aus der Projektarbeit innerhalb des Unternehmens, aber auch in Richtung anderer überbetrieblicher Bildungsstätten (ÜBS) zu transferieren. Das Projekt „ProMech-I“ wendet für den innerbetrieblichen Transfer die Methode „Design Thinking“ an. Dabei handelt es sich um einen agilen, kreativen Ansatz zur Dienstleistungsentwicklung im Zusammenhang mit Innovations- und Entwicklungsprozessen. Der Prozess selbst umfasst, wie in der nachfolgenden Abbildung rot dargestellt, sechs Phasen. Diese können bei Erfordernis spezifisch angepasst und mehrfach wiederholt werden.

Grafische Darstellung des Design-Thinking-Prozesses
Prozessmodell zur Entwicklung von Lösungsansätzen und Transfer

Der Design-Thinking-Prozess

Jeder Design-Thinking-Prozess beginnt im „Problemraum“ mit der Analyse der Situation und der Definition der Herausforderungen aus der eigenen Perspektive. Das bedeutet für das Projektteam, die zu bearbeitenden Aufgabenstellungen in den einzelnen Arbeitspaketen möglichst spezifisch und für alle verständlich zu definieren. Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses hilft in den weiteren Phasen und schont die zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Ziel im zweiten Schritt ist es, ein detailliertes und umfassendes Verständnis über das Aufgabenfeld zu erlangen, den Kreis der Stakeholder genau zu definieren und damit den späteren Lösungsraum einzugrenzen. Hierzu ist es notwendig, so viele Informationen wie möglich aus der Kundenperspektive zu sammeln. Im Rahmen des Projektes „ProMech-I“ mussten in diesem Prozessschritt zum Beispiel nicht nur die Auszubildenden und Ausbilder/-innen der ÜBS betrachtet werden, sondern auch die Akteure an den anderen Lernorten und ihre Aktivitäten.

Mit dem dritten Schritt öffnet sich der Ideenraum. Das Projektteam trägt hier die bisherigen Erkenntnisse und Ergebnisse zusammen, clustert, interpretiert und priorisiert sie. Aus dem Ergebnis wird die spezifizierte Zielstellung erarbeitet, auf deren Grundlage Ideen und verschiedenste Lösungsvorschläge entwickelt werden, wie diese bestmöglich zu erreichen ist. Hierbei ist innovatives Denken erwünscht.

Im Anschluss daran prüft das Projektteam die Ideen auf ihr Potenzial sowie ihre Umsetzbarkeit und entscheidet schließlich, welche umgesetzt werden.

Ist die Entscheidung getroffen, folgt die Entwicklung des Prototypen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang spielen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte eine wichtige Rolle. Dabei müssen Aspekte wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen, die Praxistauglichkeit und Ganzheitlichkeit beachtet werden. Im letzten Schritt wird der Prototyp an und mit den Nutzer/-innen auf seine Funktionsfähigkeit erprobt. Natürlich überprüft das Projektteam auch, ob die Idee und Funktionalität zur Lösung des Problems beiträgt. Die Ergebnisse werden schließlich zur weiteren Optimierung des Lösungsansatzes genutzt.

Ein gemeinsames Verständnis beim Ausbildungspersonal entwickeln

Die Methode „Design Thinking“ eignet sich aber nicht nur zur Entwicklung von Lösungsansätzen, sondern auch für den Transfer. So startete das Projektteam den Transferprozess im Problemraum: Zu Beginn bezog es hierfür das Ausbildungspersonal in den Transferprozess ein und entwickelte mit ihm gemeinsam ein Verständnis für die Notwendigkeit und Bedeutung des Einsatzes digitaler Technologien in der ÜBA.

Dazu verschaffte sich das Ausbildungspersonal in den beruflichen Fachgebieten mit Hilfe des folgenden Erkundungsauftrages zunächst einen allgemeinen Überblick über den Stand der Digitalisierung: „Analysieren Sie die Verwendung von Medien zur Erreichung des Lernziels in einem von Ihnen durchgeführten Kurs der ÜBA. Beschreiben Sie, welchen Nutzen der Einsatz des Mediums hat.“ Im Anschluss an die Erkundungen wurden detaillierte Fragestellungen zu den Bedürfnissen und den damit verbundenen Herausforderungen innerhalb des Veränderungsprozesses besprochen. An dieser Stelle kam es wiederholt zum regen Erfahrungsaustausch. Beispielsweise diskutierten die Ausbilderinnen und Ausbilder konstruktiv über die Einsatzmöglichkeiten interaktiver Monitore in der ÜBA. Begleitend berichteten sie über die erlebten Erfahrungen und Veränderungsmöglichkeiten von Lehr- und Lernprozessen.

Um das Verständnis hinsichtlich der Zielsetzung des Change-Prozesses zu entwickeln, stellte das Projektteam dem Ausbildungspersonal die bisherigen Ergebnisse aus der Projektarbeit vor. Dabei waren insbesondere die Nutzung der Lernplattform zur Dokumentation des Lernstandes und des Lernzuwachses, der aktuelle Entwicklungsstand der Virtual Reality-Anwendung sowie Möglichkeiten des Einsatzes von Augmented Reality in der technischen Kommunikation Gegenstand der Ergebnisvorstellungen. In vier aufeinanderfolgenden Workshops diskutierte das Projektteam mit dem Ausbildungspersonal über die Ergebnisse im Zusammenhang mit folgenden Fragestellungen:

  • Welche digitalen Tools eignen sich in welchem Kontext zur Erreichung der Lernziele?
  • Wie kann es gelingen, ein Ausbildungswissensmanagement in die ÜBA zu integrieren?
  • Welchen Nutzen bringen immersive Lernanwendungen in Lehr- und Lernprozessen?
  • Wie kann mit ausbildungsgerechten Lernprojekten die ÜBA unter Nutzung digitaler Technologien gestaltet werden?

Hierbei wurde das gemeinsame Verständnis über Anforderungen für digitalunterstützte Dienstleistungen weiterentwickelt. Die Ergebnisse wurden anschließend zu einem ersten Bild zusammengefügt und werden derzeit aufbereitet und bildlich dargestellt. Anschließend sollen sie dem Ausbildungspersonal präsentiert werden.

Nutzerorientierte Lösungswege finden

Im weiteren Verlauf des Transferprozesses wird der Ideenraum geöffnet. Hier sollen in den kommenden Monaten Lösungsansätze für die digitale Transformation erarbeitet, in der Bildungspraxis erprobt, evaluiert und daraufhin optimiert werden. Dafür werden die im Projekt erarbeiteten berufspädagogischen Ansätze mit Unterstützung der Projektmitarbeitenden auch in anderen Berufsfeldern ausprobiert, diskutiert und weiterentwickelt. In dieser Ideen- und Kreativitätsphase ist die entscheidende Frage, wie der Wandel gestaltet werden kann. Dazu werden Brainstorming-Prinzipien und Kreativitätstechniken angewendet. Aus den Ergebnissen wird der Prototyp eines an die veränderten Anforderungen angepassten ÜBA-Kurses entwickelt und im Anschluss erprobt.

„ProMech-I“ wird die Ergebnisse aus dem innerbetrieblichen Transfer zusammenfassen und im Anschluss allgemeine Handlungsempfehlungen für den gezielten Einsatz digitaler Medien ableiten. Diese werden anschließend im betrieblichen Wissensmanagement des saz dem gesamten Ausbildungspersonal zur Verfügung gestellt. Durch dieses Vorgehen entwickelt sich beim Ausbildungspersonal ein verändertes Grundverständnis zu ihrer eigenen berufspädagogischen Arbeit im digitalen Kontext, um auch im eigenen Arbeitsumfeld innovativ weiterzudenken.

Aus den bisherigen Ergebnissen beim Einsatz der Design-Thinking-Methode lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:

  • Die Methode bietet eine klare Vorgehensweise, um systematisch die Herausforderung der digitalen Transformation in der ÜBA zu gestalten. Mit ihr lässt sich gemeinsam ein Mindset, eine Haltung, zur Digitalisierung in der ÜBA entwickeln.
  • Um erfolgreich die ÜBA zu gestalten, muss das Ausbildungspersonal die strukturellen Zusammenhänge, Ziele und Wirkfaktoren, aber auch die Barrieren und Risiken von digitalen Technologien kennen und verstehen.
  • Im Rahmen des Veränderungsprozesses ist es wichtig, sich immer wieder folgende Fragen zu stellen: Wo stehen wir, was können wir im besten Fall erreichen und welche zentralen Bedürfnisse gilt es zu beachten?
  • Um den Design-Thinking-Prozess vollständig durchzuführen, wird Zeit benötigt.
  • Es ist für den Transfer wichtig, eine am Ausbildungspersonal orientierte Herangehensweise zu wählen. Es hat sich gezeigt, dass ohne die Menschen eine Veränderung nicht zielorientiert erfolgen kann. Dabei muss der Nutzen adressatengerecht dargestellt werden. 
  • Alle Ideen und Meinungen sind anzuhören, aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu dokumentieren.
  • Im Entwicklungsprozess kann man Innovations- und Gestaltungstalente von Mitarbeitenden, aber auch deren Qualifizierungsbedarfe erkennen.