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Qualifizierungsangebote für Ausbilderinnen und Ausbilder − das „NETZWERK Q 4.0“

Ein Interview mit Dr. Christian Hofmeister

Ausbilderinnen und Ausbilder stehen vor der Herausforderung, die Ausbildung an den digitalen Wandel anzupassen. Das „NETZWERK Q 4.0“ unterstützt sie dabei mit passgenauen Qualifizierungsangeboten. Dr. Christian Hofmeister berichtet, wie die „Q 4.0 Trainings“ entwickelt werden und wie sie aufgebaut sind.

Die Digitalisierung stellt neue Anforderungen an alle am Arbeitsmarkt Beteiligten. Im Bereich der Berufsausbildung stehen vor allem Ausbilderinnen und Ausbilder vor der Herausforderung, die Ausbildung an den digitalen Wandel anzupassen. Unterstützen möchte hierbei das bundesweite „NETZWERK Q 4.0 – Netzwerk zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals im digitalen Wandel“. Es entwickelt und implementiert passgenaue und neuartige Qualifizierungsangebote, um Ausbilderinnen und Ausbildern moderne Fach-, Selbst und Sozialkompetenzen zu vermitteln und sie zu befähigen, Inhalte und Prozesse der Ausbildung entsprechend den Anforderungen des digitalen Wandels (neu) zu gestalten. Ziel ist die flächendeckende Qualifizierung des Berufsbildungspersonals unter Berücksichtigung regionaler und branchenspezifischer Unterschiede.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Anfang 2021 haben Sie im „NETZWERK Q 4.0“ eine Erhebung zum Thema „Unterstützungsbedarfe des Berufsbildungspersonals“ durchgeführt. Können Sie anhand der Ergebnisse beschreiben, inwieweit und welcher Qualifizierungsbedarf mit Blick auf den digitalen Wandel beim Berufsbildungspersonal besteht?

Dr. Christian Hofmeister: Bei der Erhebung haben wir Ausbildende und Berufsschullehrkräfte befragt, wie sich der Weiterbildungsbedarf in den vergangenen drei Jahren geändert hat. Das Ergebnis: Fast alle der Befragten wünschten sich inhaltlich passende Weiterbildungsangebote, um die Auszubildenden gut auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Gerade bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen, digitaler, fachspezifischer Inhalte, aber auch beim Lernmedieneinsatz bestehen große Bedarfe. Auch bei den Selbst- und Sozialkompetenzen äußerten etwa zwei Drittel der befragten Ausbildenden und etwa die Hälfte der Berufsschullehrkräfte Weiterbildungsbedarf. Das hängt klar mit der Digitalisierung zusammen, die Kompetenzen wie Kommunikation, vernetztes Denken und Zusammenarbeit über digitale Kanäle nach vorne rückt.

Weiterbildungsbedarf bei Ausbilder/-innen und Berufsschullehrkräften

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Mit dem BMBF-Projekt „NETZWERK Q 4.0“ möchten Sie dem ermittelten Weiterbildungsbedarf begegnen. Mit Blick auf die Ergebnisse Ihrer Studie – worauf legen Sie bei der Entwicklung der Weiterbildungsangebote besonderen Wert?

Dr. Christian Hofmeister: Für uns ist es wichtig, dass wir passgenaue, zielgruppenspezifische Qualifizierungsangebote entwickeln können. Um dies zu ermöglichen, beziehen wir die empirischen Ergebnisse aus unseren Unternehmens- und Ausbilderbefragungen in die Konzeption mit ein. Darüber hinaus führen wir bundesweit branchenspezifische Interviews und Ideenworkshops mit Ausbilderinnen und Ausbildern durch.

All dies geschieht mit der Methode Design Thinking. Dabei werden einzelne Phasen im Entwicklungsprozess immer wieder neu durchlaufen – solange, bis ein bedarfsgerechter Prototyp, zum Beispiel ein didaktisches Weiterbildungskonzept, ein Lernmedium oder ein komplettes Blended-Learning-Weiterbildungsangebot (unser sogenanntes „Q 4.0 Training“), entsteht. Unmittelbar an der Entwicklung beteiligen wir sowohl ausbildende Expert/-innen, die bereits bestimmte Fachinhalte in der Ausbildung methodisch-didaktisch umsetzen, als auch Ausbildende, die nicht wissen, wie sie mit digitalisierungsbedingten Veränderungen umgehen sollen. Bisher haben wir über 1.800 Ausbildende bei der Entwicklung unserer „Q 4.0 Trainings“ über verschiedene Formate, wie beispielsweise Interviews oder Ideenworkshops involviert.

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick, in welchen Themenbereichen das „NETZWERK Q 4.0“ Qualifizierungsangebote anbietet:

Auflistung der Themen der Netzwerk Q 4.0-Trainings
Themenbereiche „Q 4.0 Trainings“

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Neben der Einbindung der Ausbilderinnen und Ausbilder in die Angebotskonzeption – welche Qualitätskriterien stellen Sie darüber hinaus an die Entwicklung und Gestaltung Ihrer Weiterbildungsangebote?

Dr. Christian Hofmeister: Wir haben uns fünf Qualitätskriterien an die Hand gelegt: Eines davon habe ich eben geschildert: Unsere „Q 4.0 Trainings“ werden immer konsequent an den Bedürfnissen der Zielgruppen ausgerichtet, indem wir die Ausbildenden in den Entwicklungsprozess einbeziehen und die Prototypen systematisch mit ihnen testen. Ein weiteres Kriterium ist, dass die „Q 4.0 Trainings“ immer einen konkreten Praxisbezug aufweisen und den Praxistransfer der Lerninhalte in die betriebliche Ausbildungspraxis ermöglichen.

Weiter haben wir als Kriterium festgelegt, dass die „Q 4.0 Trainings“ immer einen fachlichen Bezug zur Digitalisierung in der beruflichen Bildung haben und durch ihre didaktische Gestaltung alle Kompetenzbereiche – branchenspezifische und branchenübergreifende Fachkompetenzen sowie Selbst- und Sozialkompetenzen – ansprechen. Daher gehören Themen wie beispielsweise Robotik in der Ausbildungspraxis, additive Fertigung, Teamwork, smarter Umgang mit Konflikten oder Rollenverständnis zu unseren „Q 4.0 Trainings“. Ein Training, dass sehr nachgefragt ist, ist daher auch „Lernbegleitung im digitalen Wandel“. Zusätzlich wird in jedem Training als Querschnittskompetenz die didaktische Methodenkompetenz gefördert.

Viertes Erfolgskriterium ist die zeitgemäße und didaktisch-elaborierte Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse in Form von Blended-Learning. Und als letztes Kriterium zeichnen sich „Q 4.0 Trainings“ darin aus, dass sie didaktisch-methodisch in die im „NETZWERK Q 4.0“ eigens konzipierte Lernplattform integriert werden. Über die Lernplattform haben die Teilnehmenden Zugriff auf alle digitalen Lernmedien, Workshops und Termine und können mit der Trainerin bzw. dem Trainer und mit den anderen Lernenden kommunizieren.

grafische Darstellung der fünf Qualitätskriterien der Netzwerk Q 4.0-Trainings
Die fünf Qualitätskriterien der „Q 4.0 Trainings“

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Sie haben als Qualitätskriterium unter anderem die didaktische Gestaltung der Trainings erwähnt. Wie genau sind die Trainings aufgebaut?

Dr. Christian Hofmeister: Gestaltet sind die Trainings in einem Q 4.0 Blended-Learning-Konzept, wobei wir zwischen Selbstlern- und Gruppenlernphasen unterscheiden, die sinnvoll ineinandergreifen. In den Selbstlernphasen erarbeiten sich die Ausbildenden im eigenen Tempo zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Lerninhalte durch interaktive, digitale Lernmedien. Das kann zum Beispiel ein Web Based Training (WBT), ein Video, ein Podcast oder eine digitale Checkliste sein.

In den Gruppenlernphasen arbeiten die Lernenden gemeinsam mit der Trainerin oder dem Trainer an den Lerninhalten. Der Fokus liegt dabei auf dem Praxistransfer der Inhalte sowie auf dem Erfahrungsaustausch der Lernenden untereinander. Es werden beispielsweise Onlineworkshops oder Praxistage in Präsenz durchgeführt. Mit Letzteren möchten wir den Teilnehmenden das haptische Erleben von digitaler Technologie ermöglichen. Hier können sie zum Beispiel 3D-Drucker oder Virtual-Reality-Brillen für den Einsatz im eigenen Ausbildungsalltag erleben.

Zu jedem „Q 4.0 Training“ gehört außerdem eine Praxisaufgabe, die sich auf den Ausbildungsalltag jedes einzelnen Teilnehmenden bezieht und durch die Trainerin bzw. den Trainer begleitet wird. Die Lernenden dokumentieren ihre Aufgaben in einem digitalen Praxislogbuch, das die anderen Lernenden aus dem Kurs einsehen können, um sich untereinander Feedback zu geben. Das erhöht das gemeinsame Lernen, das wir fördern wollen.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Können Sie mit Blick auf Ihre bisher durchgeführten Trainings Faktoren identifizieren, die für eine erfolgreiche Weiterbildung von Ausbildungspersonal eine entscheidende Rolle spielen? Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Hinsicht bisher gesammelt?

Dr. Christian Hofmeister: Unsere Erfahrungen bei der Durchführung der Trainings und in der Arbeit mit der Zielgruppe zeigen, dass die Zeit das stärkste Weiterbildungshemmnis ist. Hier hilft natürlich die Freistellung durch den jeweiligen Arbeitgeber. Aber auch die Lernkultur in den Ausbildungsstätten spielt eine wichtige Rolle. Der stärkste Treiber aber ist die intrinsische Lernmotivation.

Eine weitere Erfahrung, die wir gemacht haben, ist, dass die Expertise der Trainerinnen und Trainer ein erfolgskritischer Faktor ist. Das heißt, dass die Trainer/-innen innovativ und modern denken müssen, wenn sie bestimmte digitale und fachliche Themen bespielen, und ein entsprechendes Know-how mitbringen.

Als letzten Erfahrungspunkt möchte ich noch die Praxisrelevanz betonen. In unseren Trainings hat sich gezeigt, dass die Anwendung digitaler Tools und Lernmedien Ausbilderinnen und Ausbilder sehr motivieren kann. Dies gilt insbesondere, wenn man den Praxisbezug zur Ausbildung herausstellt, damit die digitalen Tools nicht nur im Training, sondern auch im Ausbildungsalltag genutzt werden können. Das ist ein entscheidender Motivations- und Erfolgsfaktor. Unsere Trainings sind daher nie nur pure Theorie, sondern verbinden immer Theorie mit Praxis.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Ihre Angebote richten sich an Ausbilderinnen und Ausbilder aller drei Lernorte. Gibt es Spezifika, die das ÜBS-Ausbildungspersonal betreffen und die Sie in der Angebotsentwicklung berücksichtigen müssen?

Dr. Christian Hofmeister: Das ÜBS-Ausbildungspersonal kann generell bei allen „Q 4.0 Trainings“ mitmachen. Hemmnisse sind hier meiner Erfahrung nach häufig die Zeit und die vorhandenen Strukturen. Es erfordert gegebenenfalls ein neues Denken, damit die gewünschte und benötigte Weiterbildung auch ÜBS-Ausbildungspersonal ermöglicht wird. Vielleicht benötigen wir auch spezifischere Trainings für das ÜBS-Ausbildungspersonal. Bisher gibt es das nicht. Hier sollten wir noch einmal genauer untersuchen, ob unsere Angebote die Bedarfe treffen oder ob Unterschiede bestehen zu den Bedarfen der betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder. Benötigt das ÜBS-Ausbildungspersonal andere Impulse?

Gleichzeitig würden wir uns freuen, ÜBS als Kooperationspartner/-innen für die Praxistage zu gewinnen. In vielen ÜBS wurden über das Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung moderne Geräte und digitale Technologien angeschafft, die die Kursteilnehmenden an solchen Tagen kennenlernen und live erleben könnten.

Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung: Wenn Sie es zum Schluss einmal zusammenfassen: Was ist das Ziel des „NETZWERKs Q 4.0“? Was muss ein/-e Ausbilder/-in in 2022 können?

Dr. Christian Hofmeister: Der Digitale Wandel verändert nicht nur die Arbeitswelt, sondern selbstverständlich auch die Berufsausbildung. Fachkräfte von morgen müssen bereits jetzt auf die Veränderungen des digitalen Wandels in der Arbeitswelt vorbereitet werden. Dazu müssen von Anfang an die notwendigen Kompetenzen erlernt und gefördert werden. Das gilt auch für das Berufsbildungspersonal: Sie müssen die notwendigen Kompetenzen erlangen, um mit einer immer digitaleren und vernetzteren Welt kreativ und zukunftssicher umgehen und um die Kompetenzen didaktisch-methodisch in der eigenen Ausbildungspraxis den Auszubildenden vermitteln zu können. Dabei ist nicht nur das branchenspezifische Fachwissen erforderlich. Mit dem digitalen Wandel steigt auch der Stellenwert der Sozial- und Selbstkompetenzen. Da möchte ich gerne noch einmal das Beispiel der Rolle anführen. Ausbilderinnen und Ausbilder von heute sollten sich nicht mehr als Unterweiser/-innen verstehen, sondern als Lernbegleiter/-innen. Mit den Angeboten im „NETZWERK Q 4.0“ unterstützen wir das Berufsbildungspersonal dabei, die notwendige berufliche Handlungskompetenz im digitalen Wandel zu erlangen. Unser nachhaltiges Ziel ist, dass Ausbildende es in Zukunft schaffen, die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zur Gestaltung der Digitalisierung zu erhöhen.

Weitere Informationen zum Netzwerk Q 4.0

Was ist das „NETZWERK Q 4.0“?

Das „NETZWERK Q 4.0“ ist ein gemeinsames Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft und der Bildungswerke der Wirtschaft und anderer Bildungsinstitutionen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der am 1. Oktober 2019 gestarteten Qualifizierungsinitiative „Digitaler Wandel – Q 4.0“ gefördert. Ziel des „NETZWERKS Q 4.0“ ist die passgenaue Entwicklung und Implementierung neuartiger Weiterbildungsmodule für die Anpassung der Ausbildungsprozesse an den digitalen Wandel.

Wer sind die Projektpartner/-innen des „NETZWERKS Q 4.0“?

Das „NETZWERK Q 4.0“ ist ein gemeinsames Projekt aus 17 Projektpartnern: Dem Institut der deutschen Wirtschaft, der Bildungswerke der Wirtschaft und anderer Bildungsinstitutionen. Die regionalen Koordinierungsstellen des Projekts sind bundesweit bei den Bildungswerken der Wirtschaft und anderen Bildungsinstitutionen angesiedelt (https://netzwerkq40.de/de/partner).

An wen richten sich die Angebote des „NETZWERKS  Q 4.0“?

Das Angebot des „NETZWERKS Q 4.0“ richtet sich prinzipiell an das gesamte Berufsbildungspersonal, vor allem aber an Ausbilderinnen und Ausbilder. Neuerdings werden auch Trainings für Berufsschullehrkräfte im Sinne einer Lernortkooperation erprobt.

Welche Qualifizierungsmaßnahmen hat das „Netzwerk Q 4.0“ entwickelt?

Das Herzstück des Projekts sind die „Q 4.0 Trainings“, mit denen Ausbildende für den digitalen Wandel fit gemacht werden. Sie werden in einem Blended-Learning-Format mit Selbstlern- und Gruppenlernphasen mit 10 bis maximal 15 Teilnehmenden durchgeführt. Die Lerndauer beträgt maximal 40 Stunden. Zusätzlich bietet das Netzwerk noch sechs weitere Produkte an – von kleineren Workshops bis hin zu einem Newskanal.

Wie viele „Q 4.0 Trainings“ wurden bisher entwickelt und durchgeführt?

Bisher wurden 54 „Q 4.0 Trainings“ entwickelt. Bis Jahresende sollen 97 Trainings entwickelt werden. Stattgefunden haben bereits 74 Trainings. Insgesamt sind ca. 175 Durchführungen von „Q 4.0 Trainings“ bis Ende 2022 geplant. (Stand März 2022).

Wie viele Ausbilderinnen und Ausbilder wurden über das „NETZWERK Q 4.0“ erreicht?

Über 500 Ausbildende (Stand März 2022) wurden im Jahr 2021 bereits weitergebildet. Bis Ende 2022 sollen ca. 2.300 Ausbilderinnen und Ausbilder weitergebildet werden. Insgesamt konnten über alle aktivierenden Angebote 16.207 Teilnehmende der Zielgruppe erreicht werden.

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