Das Erstarken populistischer und extremistischer Strömungen bedroht die offene Gesellschaft. Respektlosigkeit gegenüber Vielfalt, Angriffen auf Andersdenkende und Institutionen der Demokratie ist entschieden entgegenzutreten. Welchen Beitrag kann Berufsbildung hierzu leisten?
Die Berufsbildung zeichnet sich durch eine große Heterogenität der Lernenden aus. Sowohl am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt als auch im Prozess der Arbeit gibt es zahlreiche Lernanlässe, um Prinzipien der Demokratie und damit verbundene Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu vermitteln. Hier hat die Berufsbildung gerade mit Blick auf die Sozialisation junger Menschen eine besondere Aufgabe. Doch wie wird sie ihr gerecht? Welche Impulse können von den Lernorten der Berufsbildung als Erfahrungsräume für Demokratieerleben ausgehen?
Im Mittelpunkt dieser BWP-Ausgabe stehen das Konzept der Demokratiebildung, Lernziele und Inhalte, die damit für die Berufsbildung verbunden sind und die Frage, wie dieses Konzept didaktisch umzusetzen ist. Zudem ist zu erörtern, wie das Berufsbildungspersonal auf diese herausfordernde Aufgabe vorbereitet werden kann.
Schwindendes Vertrauen in demokratische Institutionen, zunehmende Politikverdrossenheit und ein Erstarken extremistischer und populistischer Orientierungen sind Themen, mit denen sich die Berufsbildung mehr denn je auseinandersetzen muss. In November 2023 ehrte die Handwerkskammer Düsseldorf BIBB-Präsident Esser mit dem Georg-Schulhoff-Preis. Mit dem Preis werden Personen und Institutionen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise um die Berufsbildung verdient gemacht haben. In seiner Dankesrede stellte Esser Demokratiebildung als wichtigen Aspekt einer ganzheitlichen beruflichen Bildung in den Mittelpunkt – ein Thema, das ihn in seiner Bedeutung für unsere liberale Gesellschaft und die nachwachsenden Generationen weiter beschäftigt.
Der beruflichen Ausbildung wird für die Demokratiebildung von jungen Erwachsenen eine zentrale Rolle zugeschrieben. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Potenziale und Herausforderungen der Demokratiebildung an den Lernorten Berufsschule und Ausbildungsbetrieb. Die Erkenntnisse werden vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen diskutiert.
Demokratische Gesellschaften leben vom freiwilligen Engagement ihrer Bürger/-innen. Dies setzt Autonomie im Handeln, Denken und Urteilen voraus. Der klassische Begriff dafür heißt "Mündigkeit". Er bezeichnet die individuelle Fähigkeit von Gesellschaftsmitgliedern, ein aufgeklärtes, verantwortungsbewusstes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Diese Definition lässt jedoch die Frage offen, welche besonderen Kompetenzen zur Wahrnehmung politischer Teilhaberechte in demokratischen Gesellschaften erforderlich sind. Der folgende Beitrag gibt Antworten. Dazu werden Debattenhintergründe und ausgewählte Konzepte demokratischer Handlungskompetenz seit den 1990er-Jahren vorgestellt und darauf aufbauend die Möglichkeiten demokratischer Kompetenzförderung in der Berufsbildung skizziert.
Harald Hantke; Franziska Wittau; Bettina Zurstrassen
Sowohl die Politikdidaktik als auch die Berufs- und Wirtschaftspädagogik fordern seit Jahrzehnten die Integration des Politisch-Demokratischen in die berufliche Bildung. Auch die Kultusministerkonferenz hebt als Lernziel die Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer, ökologischer und individueller Verantwortung hervor. Gleichwohl bestehen nach wie vor vielfach Umsetzungsdefizite. Der Beitrag verfolgt das Ziel, das Verhältnis von beruflicher Handlungskompetenz und Demokratiekompetenz konzeptionell zu bestimmen. Anhand von zwei Praxisbeispielen werden das Politische des Beruflichen und didaktisch-methodische Zugänge für die Lernorte aufgezeigt. In der abschließenden Reflexion werden konzeptionelle und bildungspolitische Schlussfolgerungen gezogen und Empfehlungen ausgesprochen.
Ein ganzheitlicher Bildungsauftrag ist laut Berufsbildungsgesetz Kernelement der Ausbildung im dualen System. Angesichts zunehmender Politikverdrossenheit und Populismus fragen sich ausbildende Betriebe verstärkt, welche Aspekte politischer Bildung sie vermitteln können, ohne Gefahr zu laufen, seitens der Auszubildenden als weltanschaulich tendenziös oder manipulativ wahrgenommen zu werden. Der Beitrag zeigt auf, welche Anknüpfungspunkte hierfür die seit 2021 geltenden Standardberufsbildpositionen bieten. Ziel ist es u. a., übergreifende Kompetenzen, die auch Teil der beruflichen Handlungsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt sind, über die gesamte Ausbildung zu fördern. Dazu gehören auch gesellschaftlich-demokratische Kompetenzen und Werte wie Partizipation, Diskursfähigkeit, Solidarität und Toleranz.
Ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland hat bereits rechtsextreme Einstellungen am Arbeitsplatz wahrgenommen. Fast jede/-r zehnte Beschäftigte war sogar persönlich betroffen. Die Gesicht Zeigen!-Studie "Unternehmen in Verantwortung! Umfrageergebnisse zu Rechtsextremismus in der Arbeitswelt – Herausforderungen und Handlungsbedarf" präsentiert erstmalig Zahlen und gibt Aufschluss darüber, welche Rolle Rechtsextremismus in der Wirtschafts- und Arbeitswelt spielt und welche Erkenntnisse und Bedarfe sich hieraus ableiten lassen.
Die bundesweite "Initiative Betriebliche Demokratiekompetenz" unterstützt über ein Projekt-Netzwerk Betriebe und Berufsschulen, sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus stark zu machen. Ziel ist es, über demokratiefördernde Formate Ungleichheitsideologien entgegenzuwirken und demokratische Kompetenzen zu entwickeln. Der Beitrag zeigt auf, warum der Fokus auf die Arbeitswelt für die Förderung demokratischer Haltungen und Kompetenzen gewinnbringend sein kann, und gibt Einblicke in die praktische Arbeit des Netzwerks.
Welchen Beitrag können Unternehmen leisten, um das Vertrauen junger Menschen in demokratische Institutionen zu stärken und sie für Demokratie zu begeistern? Die Allianz der Chancen, eine branchenübergreifende Initiative von Unternehmen und Institutionen, hat sich zum Ziel gesetzt, mit einem Workshop-Konzept ein klares Zeichen für Demokratie zu setzen. Hintergrund, Entwicklung und Inhalte des modulbasierten Konzepts werden im Beitrag vorgestellt.
Neben Zeitmangel und fehlenden Fortbildungen ist beim Ausbildungspersonal auch mangelndes Bewusstsein für strukturelle Diskriminierung ein Hindernis, demokratische und gesellschaftliche Teilhabe in der Ausbildung zu vermitteln. Im Erasmus+-Projekt #GetInvolved wurde ein Selbstmonitoring-Tool entwickelt, mit dem Betrieben ein Werkzeug an die Hand gegeben wird, um die eigenen Teilhabestrukturen analysieren und verbessern zu können.
Im Projekt "Demokratieförderung in der beruflichen Bildung" sollen Ausbilder/-innen durch verschiedene Qualifizierungsmaßnahmen bei der Bewältigung von Herausforderungen in einer sehr heterogenen Auszubildendengemeinschaft unterstützt werden. Demokratiekompetenz ist dabei eine Schlüsselkompetenz. Der Beitrag beschreibt Hintergründe und Ziele des Vorhabens und die angebotenen Qualifizierungsformate.
Ausgehend von aktuellen Herausforderungen für demokratische Gesellschaften und ihre Verschränkung mit Aspekten des Digitalen zeigt der Beitrag Verbindungslinien zwischen Medienbildung und politischer Bildung auf und betrachtet politische Medienbildung als zeitgemäße Ausprägung von Demokratiebildung. Abschließend wird argumentiert, dass einer solchen politischen Medienbildung auch im Kontext der Berufsbildung nicht nur auf der Ebene von Unterrichtsinhalten, sondern auch durch entsprechende Erfahrungsräume große Bedeutung zukommt.
Monitorings sind ein wichtiger Baustein für eine evidenzbasierte Berufsbildungspolitik. Die regelmäßige Erhebung von Kennzahlen zum Berufsbildungssystem liefert wertvolle Impulse für bildungspolitische Entscheidungen. Doch inwiefern wird dabei die Perspektive der Auszubildenden berücksichtigt? In diesem Beitrag wird vorgestellt, wie in den drei Ländern die Perspektive der Auszubildenden durch Befragungen systematisch erfasst wird. Dabei werden deutliche Unterschiede zwischen den Ansätzen der Vergleichsländer sichtbar.
Ausbildungsunternehmen stehen vor einem Dilemma. Einerseits sind sie rechtlich verpflichtet, die Ausbildung vor Ort zu gewährleisten, andererseits widerspricht dies einer Realität, in der mobiles Arbeiten zum Standard geworden ist. Der Beitrag erläutert, wie DATEV ein mobiles Ausbildungskonzept entwickelt hat und welche besondere Rolle dabei "Gamification" spielt.
Im Rahmen der wbmonitor-Umfrage 2023 wurden Weiterbildungsanbieter zu berufsbezogenen Angeboten im Themenbereich Wasserstoff befragt. Vor allem wirtschaftsnahe Weiterbildungseinrichtungen sind bislang in diesem Themenfeld aktiv oder planen entsprechende Angebote. Insgesamt bleibt der Anteil der Einrichtungen, die derartige Weiterbildungen anbieten, derzeit jedoch noch gering.
Die Reform des IT-Weiterbildungssystems (IT-WBS) stellt einen bedeutsamen Schritt zur Modernisierung der höherqualifizierenden Berufsbildung im IT-Sektor dar. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der rasanten technologischen Entwicklungen war eine Anpassung des bestehenden Systems, das auf einer bundeseinheitlichen Fortbildungsregelung beruht, unvermeidlich. Die Novellierung zielt darauf ab, die Attraktivität und Effektivität des IT-WBS für Fachkräfte zu steigern und es an die aktuellen und zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarkts anzupassen. Die neuen Abschlüsse treten am 1. November 2024 in Kraft.
Abseits der Modeindustrie gibt es einen Ausbildungsberuf, der Kreativität, Fingerfertigkeit, traditionelle Handwerkskunst und moderne Fertigungsverfahren verbindet. Ob für Privatpersonen oder die Bühne: Maßschneider/-innen fertigen mit Gespür für Design und Mode vom klassischen Anzug über Theaterkostüme bis zur Haute Couture Unikate an. Der Steckbrief beschreibt die wichtigsten Tätigkeiten und nennt Zahlen zur Ausbildung.
Aus der Vergangenheit lernen, in der Gegenwart handeln und in der Zukunft davon profitieren ist ein Leitgedanke, der bei der Lektüre des Beitrags von Reinhard Kwetkus gleich in zweifacher Hinsicht Anwendung findet: sowohl mit Blick auf den hier thematisierten Gegenstand "Partizipation" als auch auf die hier zu beantwortende Frage, welche Impulse aus dem 1983 veröffentlichten Beitrag für den aktuellen Diskurs zur Partizipation im Kontext der Demokratiebildung gewonnen werden können.