Einblicke in das Zukunftsforum Überbetriebliche Ausbildung 2023
01.08.2023 | Caroline Paskamp
Gemeinsam Visionen einer modernen, exzellenten überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) entwerfen – darum ging es beim Zukunftsforum Überbetriebliche Ausbildung. Rund 300 Teilnehmende konnten wir bei der Tagung in Berlin vor Ort begrüßen, zu der das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingeladen hatte. Diskutiert wurden Anforderungen und Herausforderungen an die duale Ausbildung und hierbei insbesondere die Rolle der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) und ihr Beitrag zu einer exzellenten Berufsbildung.
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Mutig denken! Grenzen ausloten, neue Spielräume entdecken, die Herausforderung der Zukunft annehmen.
Mit diesem Leitsatz eröffnete Dr. Johanna Börsch-Supan (BMBF) den zweiten Veranstaltungstag und gab damit den Startschuss für einen neuen Blick auf die Zukunft der überbetrieblichen Ausbildung. Sie betonte die Schlüsselrolle der ÜBS, um die berufliche Bildung zukunftsfähig zu machen und verwies auf Themen, welche die Zentren in ihrer Entwicklung beeinflussen:
- Einen Beitrag zur Klimawende und nachhaltigen Transformation leisten
- Abholen und Einbinden der Generationen Z und Alpha
- Fortschrittliche Betreuungs- und Begleitsysteme stärken und fördern; Junge Menschen motivieren
- Kooperation mit technologischen Weltmarktführern
- Internationale Kooperation und Vernetzung
Im Anschluss hieran ging Herr Prof. Dr. Buschfeld (Universität zu Köln) in seinem Vortrag auf die Herausforderungen ein, die der Transformationsprozess für die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten mit sich bringt. Dabei wurden neben Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit auch mögliche Bedürfnisse junger Zielgruppen in den Blick genommen. Im gemeinsamen Transformationsprozess kennzeichnen die verschiedenen Lernorte attraktive, praxisnahe und fortschrittliche Bildungsdienstleistungen, die sich durch diverse Stellschrauben verändern und optimieren lassen.
Parallele Breakout-Sessions
Exzellenz für die Berufliche Bildung definieren – Bildungs- und Innovationszentren jetzt für die Zukunft aufstellen
Die darauffolgenden Breakout-Sessions boten den Teilnehmenden die Gelegenheit zum Diskurs in sechs verschiedenen Themen. Einleitend in die Session lieferten wissenschaftliche Vorträge und Statements aus der Bildungspraxis Impulse, um im Anschluss gemeinsam mit allen Beteiligten im Open Space Format Inhalte zu vertiefen und aktiv zu diskutieren!
Moderation: Timon Tobias Temps (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Wie wirken sich Klimaanpassungsmaßnahmen auf Berufe und Ausbildung im Allgemeinen und die überbetriebliche Ausbildung im Besonderen aus?
Diese zentrale Frage wurde in Session 1 aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet: Politik – Wissenschaft – Praxis. Die politische Sicht auf die Dinge präsentierte Dr. Kathrin Isele, Leiterin des Referats VII B 2 „Handwerks- und Gewerbeförderung“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Sie betonte: „Der immense Bedarf an Fachkräften für die Transformation erfordert moderne und gut ausgestattete überbetriebliche Bildungsstätten – mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit“. In ihrem Vortrag „Die Konsequenzen der ökologischen Transformation für die Fachkräftesicherung“ rahmte sie das Thema Transformation zunächst unter politischen Gesichtspunkten, bevor sie die Themen Fachkräftemangel und -sicherung im Kontext der Transformation skizzierte und auf Strategien und Fördermaßnahmen des BMWK zur Fachkräftesicherung einging.
Wie sich Klimaanpassungskompetenzen identifizieren und in die berufliche Bildung integrieren lassen stand im Fokus des zweiten Inputs von Dr. Friederike Rausch-Berhie, die neben Ihrer Tätigkeit im Arbeitsbereich 1.2 „Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit“ des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auch ein vom Umweltbundesamt (UBA) und dem BIBB gemeinsam durchgeführtes Forschungsvorhaben zu Klimaanpassung und beruflicher Bildung koordiniert, und Dr. Johanna Telieps aus dem Arbeitsbereich 2.3 „Gewerblich-technische Berufe“ des BIBB. Sie stellten in ihrem wissenschaftlichen Fachvortrag „Klimaanpassungskompetenzen identifizieren und in die berufliche Bildung integrieren“ mittels einer Szenarioanalyse vor, inwiefern sich das Ergreifen bestimmter Maßnahmen zur Anpassung an die vom Klimawandel verursachten Risiken auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt auswirken können. Sie sagen: „Für die Umsetzung der Klimaanpassung braucht es entsprechend qualifizierte Fachkräfte!“
Welche Auswirkungen Klimawandel und Klimaanpassungsmaßnahmen auf die überbetriebliche Ausbildung haben, skizzierte abschließend Dr. Jörg Hittenbeck, Leiter der Lehranstalt für Forstwirtschaft der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein in Bad Segeberg. Seine Erfahrungen aus Land- und Forstwirtschaft fasste er wie folgt zusammen: „Den aktuellen Herausforderungen begegnen wir am besten, wenn wir zukünftige Generationen mit umfangreichen (fachlichen) Kompetenzen ausstatten.“
In der anschließenden offenen Diskussion wurde von den Teilnehmenden herausgearbeitet, dass die Anpassung der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) auf die zuvor genannten Erfordernisse der Klimawende gerade angesichts rückläufiger Ausbilderzahlen eine große Herausforderung darstellt. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Tragweite der sozialen, ökologischen und ökonomischen Transformation gelte es auch in der ÜBA Einstellungen und Haltungen zu vermitteln und sinnvolle Prioritäten in der Bearbeitung drängender Themen zu setzen (neben Klimaanpassung die weiterhin voranzutreibende Digitalisierung). Letztlich benötige es ein Zusammenspiel aller (Bildungs-)Akteure, um Klimaanpassungsmaßnahmen in die ÜBA zu tragen; denn noch nicht überall sei das ökologische Bewusstsein hierfür vorhanden.
Gesamtpräsentation Breakout Session 1
Moderation:
Katrin Böhnke (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Dr. Oliver Diehl (Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Wie sieht eine attraktive und hochwertige Ausbildung nah an den zukünftigen Generationen aus? Wo liegen deren Erwartungen und Wünsche?
Angesichts des demographischen Wandels und Fachkräftemangels ist es Herausforderung und gemeinsames Interesse zugleich, sich den zukünftigen Generationen zuzuwenden. Wie können wir Hand in Hand eine starke überbetriebliche Ausbildung realisieren, die auch für die nachfolgenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiv ist?
Dipl.-Psych. Rüdiger Maas skizzierte in seinem wissenschaftlichen Input eine Jugend, die mit unzähligen Optionen, aber auch andauernden Krisen (Corona, Krieg, Klimakrise und Energiewende) aufgewachsen ist. Die Priorisierung von Freizeit/Leben angesichts dieser Bedrohungen führt zu einer veränderten Haltung: sie zeichnet ein starker Fokus auf familienorientierte Werte und Work-Life-Balance aus. Die Bedeutungen der Wertsetzungen in Bezug auf „Einkommen“ und „Beruf und Arbeit“ rücken im Vergleich mit den anderen Wertsetzungen nach unten. Kommunizierte Wertschätzung, gute Teamkultur, Remote und flexibles Arbeiten sowie eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit sind attraktive Attribute einer beruflichen Tätigkeit.
Die sog. Generation Z ist die kleinste Alterskohorte nach dem Zweiten Weltkrieg – umso wichtiger sei der Blick auf jede/n Einzelnen, wenn es um die Wahl und vor allem den Verbleib in einer Ausbildung oder einem Arbeitsverhältnis geht. Und diese Gruppe ist heterogen: Jede/r zweite 18-Jährige in Deutschland macht Abitur, bis zu 12% eines Jahrgangs verlassen jedoch die Schule ohne einen Abschluss.
Der Wandel von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt sollte Anlass geben, die bisherigen Strategien zur Gewinnung der Nachwuchskräfte zu überdenken und zielgruppengerecht anzupassen. Bei der Wahl eines Ausbildungsplatzes/Unternehmens zeigt sich bei Jugendlichen vermehrt die „fear of best option (fobo)“ – die Angst, es könnte ein besseres Angebot geben, zu dem dann auch gewechselt wird, sodass sich Betriebe und Unternehmen in einem ständigen Wettbewerb um die Nachwuchskraft befinden. Dabei betont Rüdiger Maas, dass der Weg über soziale Medien nicht zwingend erfolgreich ist – sich auf bspw. TikTok als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, wird in der Regel als wenig glaubwürdig abgelehnt. Relevanter sei, die Eltern mit ins Boot zu nehmen, da sie die nächsten Berater ihrer Kinder sind, oder eigene Mitarbeitende/Auszubildende als Vorbilder die Vorteile präsentieren zu lassen.
Dabei ist festzuhalten: Auch wenn die Jugendlichen Digital Natives sind, so bedeutet digital affin nicht zwangsläufig digital kompetent. Maas zufolge bestünde hier häufig ein Missverständnis. Der Einsatz digitaler Medien müsse zwingend pädagogisch begleitet vermittelt werden.
Ein Appell des Forschers: Die eigenen Wertvorstellungen („Das mussten wir alle mal lernen/da müssen die durch“) zurückstellen, sich ohne Bewertung auf die nachfolgenden Generationen einlassen und mit offener Kommunikation gemeinsame Wege finden.
Nähere Informationen zu den Studien des Instituts für Generationenforschung: https://www.generation-thinking.de/ und in der Präsentation (siehe unten).
Die beiden Praxisbeispiele von Gerrit Witschaß (Lehrbauhof Berlin) sowie Jochen Ströhle (ZAZ Biberach) unterstreichen die im wissenschaftlichen Input thematisierten Aspekte.
Am Lehrbauhof Berlin liegt ein besonderes Augenmerk auf der sozialpädagogischen Begleitung – „Die Ausbildung bietet die Möglichkeit, zu begleiten und zu unterstützen wie junge Menschen erlernen, ihr Leben selbst zu gestalten und erleben können, was sie bewirken“, bspw. durch die Vorbereitung geflüchteter Menschen auf eine Ausbildung in den Bauberufen, Mentoring, Nachhilfe oder das Projekt Startklar für Ausbildung. Im Fokus steht die Förderung der Selbstwirksamkeit der Jugendlichen. „Der Azubi bekommt die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu erleben, sich eine Grundlage für die eigene Lebensgestaltung aufzubauen und sich dabei Optionen für sein zukünftiges Leben zu schaffen“.
Weitere Infos unter https://lehrbauhof-berlin.de/projekte/.
Das ZAZ Biberach hat auf dem Weg zum Kompetenzzentrum und nun im Leitprojekt Erfahrungen mit digitalen Lehrangeboten gesammelt. Es wurden Lehrvideos für spezielle Anwendungen in der Aus- und Fortbildung der Baubranche erstellt, die auf den Bedarf der jeweiligen Zielgruppe abgestimmt sind. So kann gezielte Förderung und Unterstützung angeboten, verschiedenste Lehrinhalte individuell ergänzt, Problemstellungen erörtert und Lösungen aufgezeigt werden. Jedoch ersetzen sie keine berufspädagogischen Inhalte oder sind ohne digitales Vorwissen einsetzbar - eine der Kernthesen von Herrn Ströhle lautete daher: „Digitalisierung ja – aber nur dort, wo es sinnvoll ist!“
Weitere Informationen: https://zimmererzentrum.de/de/projekte/aktuelle-projekte/zukunft-holzbau/
Moderation: Stefanie Weyh (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Wie kann überbetriebliche Ausbildung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation des Bildungs- und Arbeitsraumes gestaltet werden?
Mit seinem einführenden Vortrag legte Prof. Dr. Marc Krüger, Professor für Technikdidaktik am Institut für Berufliche Lehrerbildung der FH Münster, die wissenschaftliche Basis für den Diskussionsverlauf. In seinem Vortrag „Extended Reality: Erweiterung des realen Lernraums mit AR und VR in der beruflichen Bildung“ berichtet er aus seinem Forschungskontext, dessen Fokus auf Lehren und Lernen mit digitalen Medien aus Sicht der Berufs-, Fach- und Technikdidaktik liegt, über Wirksamkeit und Potenziale von Extended Reality (XR)-Anwendungen in der beruflichen Bildung. Demnach gibt es studienübergreifend Hinweise auf positive Lerneffekte durch die Einbindung von XR-Anwendungen in unterschiedlichen Lernszenarien, dennoch werden diese in vielen Aus- und Weiterbildungen aufgrund fehlender methodisch-didaktischer Kompetenzen nicht genutzt.
Welche Impulse Augmented Reality (AR) der ÜBA in ÜBS geben können, berichtet zunächst Thomas Planer, Leiter des Bildungszentrums Schweinfurt der Handwerkskammer Unterfranken. Als erfahrener Bildungsstättenleiter bringt er seine Expertise im Projekt ARihA ein, das im Rahmen des Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung gefördert wurde und bei dem der Einsatz von AR-Technologie im Handwerk im Fokus steht. Er sagt: „Lernen mit Augmented Reality ist Lernen mit einem `Werkzeug´ der Zukunft.“ Damit zielt er auf die Potentiale dieser Technologie ab, die plattformübergreifendes, immersives Lernen und handlungsorientiertes Lehren ermöglichen kann. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass „der Einsatz von Augmented Reality in der beruflichen Bildung […] ein Umdenken aller am Lernprozess beteiligten Personen und Institutionen“ erfordert.
Über ihre Erfahrungen mit Virtual Reality (VR) im Projekt „Digi-BacK“ berichtete anschließend Mandy Wolter, Ausbilderin im Back- und Konditorhandwerk bei der Handwerkskammer Erfurt. Sie sagt: „VR kann den Lernprozess im Handwerk nicht ersetzen, aber vertiefen! Es bedarf zwingend des aktiven Austausches zwischen den unterschiedlichen Lernorten und Lehrenden, um zu erkennen, in welchen Bereichen der Einsatz sinnvoll ist.“ Um das Potential von VR vollumfänglich zu nutzen, müsse diese Zusammenarbeit langfristig angelegt sein, auch hinsichtlich der schnelllebigen Technologieentwicklungen.
In der anschließenden offenen Diskussion waren sich die Teilnehmenden weitgehend einig, dass die Verwendung von VR/AR-Technologien positive Effekte auf das Lehren und Lernen in der ÜBA haben kann. Wann der Einsatz sinnvoll erscheint und wann nicht, erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik. Einige Diskutanten sehen fehlende zeitliche, aber auch finanzielle Ressourcen als Hemmnisse an, sich mit XR-Technologien zu befassen und diese in den ÜBS-Alltag zu integrieren. Austauschmöglichkeiten mit VR/AR-Projekten werden gerade deshalb als sehr wertvoll wahrgenommen. So können die Projekte wie ARihA und Digi-BacK als Türöffner in die Extended-Reality-Welt dienen, um mögliche Hürden zu umgehen.
Moderation: Martyna Biedrzycka-Schmidberger (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Welche Chancen und Perspektiven bieten internationale Kooperationen für die Gestaltung zukunftsorientierter überbetrieblicher Ausbildung? Welche Möglichkeiten der Vernetzung bieten sich?
Mit ihrem Vortrag „Kooperationen im internationalen Raum – Chancen für die ÜBS“ führte Ilona Medrikat, Projektleiterin im BIBB im Arbeitsbereich 3.2 „Internationale Beratung/ Kooperation mit Partnereinrichtungen“, in das Thema ein. Neben der geschichtlichen Einordnung der deutschen internationalen Berufsbildungskooperation stellte sie Akteure, Interventionsebenen und Instrumente in diesem Bereich vor. Darüber hinaus gab sie einen kurzen Einblick in den wissenschaftlichen Diskurs zwischen den Themen Transferdebatte und Berufsbildungsexport, um Rückschlüsse für die Übertragbarkeit einzelner Elemente des dualen Berufsbildungssystems in andere Kontexte zu ziehen sind. Außerdem stellte sie drei Beispiele aus der internationalen Zusammenarbeit auf der Makro- und Mesoebene dar und rundete diesen Punkt mit Lessons Learned aus der internationalen Berufsbildungskooperation ab. Abschließend zeichnete Frau Medrikat potenzielle Vorteile von internationalen Kooperationen für die ÜBS.
Welche Erfahrungen auf diesem Feld seitens der ÜBS gemacht wurden, berichtete zunächst Matthias Steffen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. Er betonte, dass „internationale Kooperationen keine Einbahnstraße sind. Vielmehr müssen beide Seiten voneinander lernen und profitieren“ und zeigte folgenden Mehrwert auf: „Internationale Kooperationen erhöhen die Kompetenz unserer Ausbildenden und unserer Auszubildenden“. Impulse für das eigene Vorgehen abzuleiten sei besonders wichtig, denn „Das duale Ausbildungssystem hat weltweit einen exzellenten Ruf. Wir müssen aber aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren“.
Welche Potenziale in internationalen Kooperationen für einen Komplettanbieter für Bildung in der Bauwirtschaft liegen, präsentierte Dr. Jens-Uwe Strehle, Geschäftsführer von Bau Bildung Sachsen e. V. und Bau Bildung Sachsen-Anhalt e. V. Branchenbedingt spielt das Begleiten von Internationalisierung der Wirtschaft für ihn eine große Rolle. Hierbei sucht er nach Möglichkeiten, die Fragen der Bildung zu transportieren.
Daher sieht er Potenziale für Überbetriebliche Berufsbildungsstätten durch Internationalisierung in der Auslastung der inländischen ÜBS durch Bildungsaufträge im Ausland sowie durch die Teilhabe an den Wertschöpfungsketten bei zunehmender Internationalisierung von Produktionskapazitäten.
In der nachfolgenden offenen Diskussion tauschten sich die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit aus und gingen dabei auch auf die damit verbunden Herausforderungen sowohl soziokultureller Art als auch auf bürokratische Rahmenbedingungen ein. In diesem Zusammenhang wurde ferner diskutiert, inwieweit die ÜBS eine Schnittstelle bei der Fachkräftegewinnung aus dem Ausland bilden könnten.
Moderation: Christiane Köhlmann-Eckel (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Welche Potenziale eröffnet die gemeinsame Arbeit mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern? Welche regionalen, überregionalen und bundesweiten Netzwerkaktivitäten bieten sich?
Mit seinem einführenden Vortrag rahmte Prof. Dr. Andreas Diettrich (Universität Rostock) den Diskussionsverlauf. Er betonte, dass „ÜBS nicht nur wichtige Partner im trialen Ausbildungssystem und der Fort- und Weiterbildung sind. Sie können auch wichtige Impulse für Vernetzung, Innovation und Regionalentwicklung liefern. Dem Bildungspersonal in ÜBS kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu – diesbezüglich ist Qualifizierung und weitere Professionalisierung notwendig“. Welche Impulse durch Netzwerkarbeit von ÜBS ausgehen können, berichtete zunächst Herr Karsten Hömann (Gemeinschafts-Lehrwerkstatt Arnsberg GmbH). Herr Hömann ging in seiner Darstellung insbesondere darauf ein, dass Netzwerke Innovationen fördern. „Ein Netzwerk zu Forschungseinrichtungen und Universitäten ermöglicht nicht nur einen effektiven Technologietransfer, sondern dient auch als dynamische Plattform zum Austausch und Weiterentwicklung von Ideen." Potenziale, die Netzwerke für gewerkeübergreifende Kooperationen in der überbetrieblichen Ausbildung bieten, zeigte abschließend Axel Lange (Berufsbildungs- und TechnologieZentrum der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim) auf. Er bringt deutlich zum Ausdruck, dass „die Kooperation von Gewerken in Netzwerken durch vertrauensvolle Zusammenarbeit und Verständnis für die Partner befördert werden. Eine kontinuierliche Integration der Kooperation von Gewerken in der überbetrieblichen Ausbildung benötigt jedoch ein gemeinsames Systemverständnis und entsprechende Ressourcen.“
In der anschließenden offenen Diskussion wurde von den Teilnehmenden herausgearbeitet, dass die Potenziale von Netzwerkarbeiten in regionalen Strukturen unterschiedlich wirken können. Die Teilnehmenden waren sich jedoch einig, dass Netzwerke insbesondere vom Geben und Nehmen des Know-hows und den Erfahrungen der beteiligten Partner profitieren. Gleichzeitig liegen die Chancen für das Zusammenwirken in Netzwerken im Vorantreiben innovativer Ausbildung. Durch das Zusammenfügen unterschiedlicher Kompetenzen der beteiligten Akteure können Grenzen von Institutionen und Gewerken überschritten werden.
Moderation: Dr. Bernhard Hilkert (Bundesinstitut für Berufsbildung)
Wie kann der zunehmenden Diversität der Bildungsteilnehmenden aufgrund demografischer, sozialer und kultureller Megatrends begegnet werden? Welche Möglichkeiten bieten sich in der überbetrieblichen Ausbildung, die Vielfalt individueller Talente angemessen zu fördern?
Mit seinem wissenschaftlichen Input „No Need for NEETS? Inklusive Bildungs- und Unterstützungsförderung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten“ rückte Herr Prof. Dr. Dieter Münk (Universität Duisburg-Essen) die wachsende, stark heterogene Gruppe der benachteiligten und exklusionsgefährdeten Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt. Darauf bezogen stellte er sich die Frage, welche Herausforderungen und Chancen das Übergangssystem für überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) bietet. Hinsichtlich der Herausforderungen geht Herr Prof. Dr. Münk davon aus, dass ÜBS derzeit weder „organisatorisch, strukturell und didaktisch-methodisch bezogen auf das Bildungspersonal, (noch) mit Blick auf (das) korporative Selbstverständnis“ auf solche Gruppen vorbereitet seien. Im Anschluss muss, und das ist besonders wichtig, auf die besondere Chance bzw. den unzureichend gesehenen Vorzug der ÜBS, nach Münk, eingegangen werden.
Demgegenüber zeigten sich Chancen für die ÜBS in der Erschließung „neuer Tätigkeitsfelder“, darunter Maßnahmen gegen Fachkräftemangel und zur Steigerung der Übergangsquote. Hierzu verfügten ÜBS mit ihrem Ansatz „Lernen durch Arbeiten“ über eine besondere, sehr erfolgversprechende didaktisch-methodische Ressource. Kombiniert mit einer zielgruppenspezifischen Angebotspalette könnten sich gute Chancen bieten, diese Zielgruppen fachlich und persönlich erfolgreich zu fördern.
Herr Jörg Schäfer (Koordinator am Kompetenzzentrum der HWK Bremen) und Herr Torsten Wachenbrunner (Leiter des Weiterbildungsbereichs im Bildungswerk BAU Hessen-Thüringen, Aus- und Fortbildungszentrum Walldorf – Kompetenzzentrum für Baumaschinentechnik) erweiterten die Perspektive von Herrn Prof. Dr. Münk. Dabei plädierte Herr Schäfer dafür, „die Fachsprache in der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung und bei Prüfungen an den Sprachvoraussetzungen der Teilnehmenden zu orientieren“ sowie „die Vermittlung von Fachwissen und die praktischen Unterweisungen an den unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen und Lerngeschwindigkeiten der Kursteilnehmenden auszurichten“. Auch Herr Wachenbrunner sah in der Nutzung digitaler Ausbildungsmittel geeignete Tools. „Erkenntnisunterstützende digitale Ausbildungsmittel fördern den individuellen Lernprozess der Bildungsteilnehmenden. Für Berufsorientierung, Aus-, Weiter- und Fortbildung sind geeignete Bildungsangebote zu entwickeln“.
In der anschließenden Diskussion wurden einzelne Aspekte der referierten Beiträge aufgegriffen, mit eigenen Kenntnissen und Erfahrungen angereichert und vertieft, aber auch neue Aspekte erörtert. Im Ergebnis zeigte sich, dass viele Teilnehmende eine individuelle und zielgruppenspezifische Ausrichtung der überbetrieblichen Ausbildung befürworten. Dafür sei es erforderlich, die Strukturen der ÜBS, deren Bildungsangebote, ihre methodisch-didaktischen Konzepte und Tools in diese Richtung weiterzuentwickeln, sowie das Ausbildungspersonal auf eine solche Aufgabe angemessen vorzubereiten. Darüber hinaus sei es dringend geboten, die Förderstruktur in diese Richtung um- und auszugestalten.
Berufsbildung im Aufbruch. Mutig denken - entschlossen handeln.
In ihrer digitalen Ansprache gab Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger den Anstoß für die neue Förderinitiative.
Die Ansprache der Bundesbildungsministerin ist hier einsehbar.
Innovativer, Individueller, Internationaler – das ist der Dreiklang der Exzellenzinitiative. Sie können ihn zum Klingen bringen mit unserer Unterstützung. Nutzen wir diese Chance, machen wir daraus einen Erfolg, indem wir zusammen mutig denken und entschlossen handeln.
Initiative für eine exzellente überbetriebliche Ausbildung (INex-ÜBA)
- Welche Beiträge sind im Rahmen der ökologischen und digitalen Transformation möglich?
- Wie schaffen wir eine individuellere Begleitung und Betreuung der Auszubildenden?
- Was können wir im internationalen Austausch für eine attraktive Berufsbildung lernen?
Hier setzt die „Initiative für eine exzellente überbetriebliche Ausbildung (INex-ÜBA)“ an, mit der das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) der Entwicklung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten im Rahmen der Exzellenzinitiative der Bundesregierung begegnet.
Weitere Informationen zur neuen Förderrichtlinie entnehmen Sie gerne der Präsentation des BMBF sowie unten aufgeführter Webseite.
Talkrunde
Angesichts der Fragestellung „Exzellenzzentren für die berufliche Bildung – Was ist nötig, was ist möglich?“ fand vor dem Wrap up zur INex-ÜBA eine moderierte Talkrunde auf der Bühne statt.
Die ausgewählten Akteurinnen und Akteure diskutierten über Herausforderungen, denen die überbetriebliche Ausbildung gegenübersteht, über die Potenziale, die unter anderem Themen wie Digitalisierung, Internationalisierung sowie Nachhaltigkeit bieten können, und welche Unterstützung Bildungszentren für die Entwicklung exzellenter Bildungsangebote benötigen. Aufgrund unterschiedlicher Perspektiven aus Wirtschaft, Politik und Praxis konnte kontrovers diskutiert werden.
Teilnehmende der Talkrunde (von links nach rechts)
- Karina Görner (Hauptabteilungsleiterinder Bildungszentren, Handwerkskammer Dresden)
- Petra Dick-Walther (Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau RheinlandPfalz)
- Klaus Gräbener (Hauptgeschäftsführer, Industrie- und Handelskammer Siegen)
- Susanne Haus (Präsidentin, Handwerkskammer Frankfurt-RheinMain)
- Raik Brettschneider (Vice President & Managing Director, Infineon Technologies AG)
- Moderation: Astrid Frohloff
Rückblick auf das Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung
Wir haben das zweitägige Programm so gestaltet, dass wir heute einen Blick zurückwerfen um zu schauen, was ist erreicht und wo stehen wir. […] Der Blick zurück richtet sich insbesondere auf acht Jahre Förderung der Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten.
Ulrich Schuck, Referatsleitung „Innovationen in der beruflichen Bildung“ (BMBF), begrüßte die Teilnehmenden am ersten Veranstaltungstag der Tagung und leitete mit seinen Worten den Rückblick auf das Sonderprogramm zur Digitalisierung in ÜBS ein.
Die Förderung von Digitalisierung in ÜBS und Kompetenzzentren diente dazu, einen Digitalisierungsschub bzgl. digitaler Ausstattung und moderner Ausbildungskonzepte einzuleiten, um künftige Fachkräfte der kleinen und mittleren Betriebe (KMU) für die digitale Arbeitswelt zu qualifizieren und ihr Wissen in die Betriebe zu transferieren.
Prof. Dr. Heister, Abteilungsleitung „Initiativen für die Berufsbildung“ im BIBB und Moderation dieses Veranstaltungstages, würdigte die Errungenschaften des Sonderprogramms und bedankte sich bei den beteiligten Akteurinnen und Akteuren. Dabei betonte Hr. Heister die Wellen, mit denen das Projekt seine Kreise zieht:
- Digitalisierung in der Fläche durch Ausstattungsförderung (seit 2016 an mehr als 287 ÜBS-Standorten)
- Digitalisierung in die Tiefe durch Pilot- sowie Entwicklungs- & Erprobungsprojekte
- Investition in die Zukunft durch nachhaltige Implementierung der Projektergebnisse und -entwicklungen
Arbeit bleibt – Digitalisierung hilft! Michael Tiemann vom BIBB ordnete die Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung als Teil des Strukturwandels ein und gab einen Einblick in die Ausgangslage, den Stand der Dinge sowie Perspektiven, Veränderungspotenziale und Fokuspunkte für die (über)betriebliche Bildung.
Evaluation des Sonderprogramms ÜBS-Digitalisierung: Nicht zuletzt gingen Kristin Otto und Dr. Stefan Ekert von InterVal GmbH in ihrem Vortrag auf die Ergebnisse ihres Evaluationsauftrags zum Sonderprogramm ein. Zum einen wurden Aspekte zur Ausstattungsförderung hervorgehoben, darunter der Einsatz der Austattung, die Lerneffekte für das Ausbildungspersonal sowie die Auszubildenden und die Ausstrahlungseffekt für die ÜBS-Landschaft. Zum anderen zeigte InterVal die Erfolgsfaktoren der Entwicklungs- und Erprobungsprojekte auf.
Ausstellung vor Ort
Von VR/AR-Anwendungen über 3D-Druck, Video- oder Plattformpräsentation! Für den direkten praktischen Einblick präsentierten einige Projekte ihre entwickelten Lernszenarien und boten die Möglichkeit digitale Technologien direkt auszutesten.
Ausgewählte Projekten konnten auf der Tagung ihre Ergebnisse vorstellen und mit den Besuchern in den direkten Austausch gehen. Im Ausstellungskonzept „Digital Lounge“ präsentierten sich zwanzig Projekte vor Ort, die seit Herbst 2020 bis Ende Juni 2023 den Fokus darauf legten, das Ausbildungsangebot der ÜBS mit digitalen Technologien und modernen Lernszenarien anzureichern. Die Projekte konnten zeigen, wie zukunftsorientierte Ausbildungskonzepte aussehen, um digitale Technologien zielführend in die ÜBA zu integrieren. Diverse ÜBS aus den Bereichen Handwerk, Bauwirtschaft, Landwirtschaft, Industrie und Handel waren beteiligt.
Einen Überblick über alle präsentierenden Projekte bietet: Laufende Projekte
Neben der Ausstellung konnten drei Best-Practice-Beispiele unter dem Motto „Digitalisierung als Türöffner“ über ihre Erfahrungen auf der Bühne berichten.
Best-Practice-Beispiele
Petra Marpe (Mitte im Bild) und Rebekka Lieb (rechts im Bild) vom Bildungszentrum des Zimmerer- und Ausbaugewerbes in Kassel (Projekt FortUnA) zeigten sehr anschaulich auf der Bühne, wie die Zusammenarbeit der Gewerke am Bau in der überbetrieblichen Ausbildung funktionieren kann. Die kurze Demonstration einer Baubesprechung in der VR-Welt lieferte gute Eindrücke!
© BMBF - Bundesfoto (Laurin Schmid)
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Ralf Marohn, Projektleiter (Pro Mech-I) (Mitte im Bild) und Ausbilder Manuel Arndt des Schweriner Aus- und Weiterbildungszentrum (saz) (rechts im Bild) berichteten aus ihren beiden Perspektiven, wie eine bedarfsorientierte überbetriebliche Ausbildung und die Integration digitaler Technologien in die ÜBA gelingen kann. Der agile und kreative Ansatz des Design Thinking eignet sich zur Entwicklung von Lösungsansätzen sowie zum Transfer, unter Einbindung des Ausbildungspersonals.
© BMBF - Bundesfoto (Laurin Schmid)
Dr. Jürgen Jarosch vom Elektro Technologie Zentrum (etz) Stuttgart (Projekt GSIdigital) referierte über die Entwicklung des neuen Berufs „Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration“ und der damit einhergehenden Erarbeitung eines passenden überbetrieblichen Ausbildungsangebotes. Im Zuge der Entwicklung des „intelligenten Gebäudes“ gilt es den hohen Digitalisierungsbezug der künftigen Fachkräfte in die Ausbildungsinhalte zu integrieren.
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